Ablehnung eines Sachverständigen nach dessen Mitwirkung in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung
BGH 13.12.2016, VI ZB 1/16Der Antragsteller wurde Ende des Jahres 2011 wegen eines Adenokarzinoms des Colon ascedens im von der Antragsgegnerin betriebenen Krankenhaus stationär und anschließend ambulant behandelt. Nach der Behandlung wandte er sich an die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen mit der Behauptung, die Behandlung sei fehlerhaft gewesen. Das daraufhin von Prof. Dr. R. im Jahr 2013 erstattete fachinternistische, gastroenterologische und onkologische Gutachten verneinte das Vorliegen von Behandlungsfehlern. Das Gutachten wurde von der Gutachterkommission bestätigt.
Ende des Jahres 2014 beantragte der Antragsteller die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 ZPO durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu verschiedenen medizinischen Behauptungen, u.a. zur Frage nach dem Vorliegen von Behandlungsfehlern. Das LG, das den Antrag zunächst zurückgewiesen hatte, gab ihm nach Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren, entsprechend der vom Beschwerdegericht getroffenen Anordnung, statt und bestimmte Prof. Dr. R., der bereits das Gutachten für die Gutachter- und Schlichtungsstelle erstellt hatte, zum Sachverständigen. Der Antragsteller lehnte den Sachverständigen im Hinblick auf dessen Tätigkeit im Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Das Gesuch hatte vor dem LG keinen Erfolg. Das OLG wies die vom Antragsteller dagegen geführte sofortige Beschwerde zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hob der BGH die Beschlüsse von LG und OLG auf und entschied, dass die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. R. durch den Antragsteller begründet ist.
Gründe:
Die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. R. durch den Antragsteller ist gem. § 406 Abs. 1 S. 1, § 41 Nr. 8 ZPO begründet.
Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Die Ablehnung eines Sachverständigen ist danach grundsätzlich auch dann möglich, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Richter von der Ausübung des Richteramtes nach § 41 ZPO ausgeschlossen wäre. Nach § 41 Nr. 8 ZPO ist ein Richter in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat, von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.
Da Prof. Dr. R. im Rahmen des vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen stattgehabten Verfahrens - ein anderes Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung i.S.d. § 41 Nr. 8 ZPO - ein Gutachten erstattet hat, kann er danach nach dem klaren Wortsinn der genannten Vorschriften als Sachverständiger im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren abgelehnt werden.
Für eine teleologische Reduktion der genannten Vorschriften dahingehend, dass sich die Ablehnungsmöglichkeit nicht auf Sachverständige erstreckt, die im Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer hinzugezogen wurden, sieht der erkennende Senat keine hinreichenden Gründe. Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Eine solche kann hier nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Jedenfalls liegt hier kein Sachverhalt vor, der vom Normzweck der genannten Vorschriften nicht erfasst wird.
Zwar ist es fraglich, ob sich der historische Gesetzgeber den sich aus § 41 Nr. 8 ZPO über § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO für Sachverständige ergebenden Konsequenzen bewusst war - umgekehrt kann allerdings auch nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Neuregelung auf mitwirkende Richter hätte beschränken wollen - letztlich kann dies aber offen bleiben. Im Übrigen tragen Sinn und Zweck des § 41 Nr. 8 ZPO auch den "Ausschluss" des Sachverständigen.
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