10.07.2015

Altkanzler Kohl kann Herausgabe von Tonbändern verlangen

Wer fremde Geschäfte besorgt und damit auf die Interessen eines anderen zu achten hat (hier: ein Journalist), soll aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber (hier: Altkanzler Kohl) gebühren. Setzt der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie etwa ein Tonband, ein, muss er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden kann.

BGH 10.7.2015, V ZR 206/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger, der ehemalige Bundeskanzler Dr. Kohl, und der Beklagte, ein bekannter Journalist, hatten im Jahr 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge abgeschlossen. Gegenstand der Verträge war die Erstellung der Memoiren des Klägers; die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch den Beklagten erfolgen.

Die Parteien, die die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit unmittelbar miteinander besprechen sollten, trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus des Klägers zu Gesprächen, die insgesamt etwa 630 Stunden dauerten und mit einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen wurden. Der Kläger sprach dabei auf Fragen und Stichworte des Beklagten ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl über die Zeit, in der er höchste politische Ämter innehatte, als auch über seinen vorherigen Werdegang.

Die Tonbänder, die der Kläger persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm der Beklagte zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Später überwarfen sich beide Seiten. Der Kläger kündigte die Zusammenarbeit mit dem Beklagten. Der Verlag entschädigte den Beklagten finanziell. Der Kläger verlangte zudem die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen, auf denen seine Stimme zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von dem Beklagten aufgenommen worden waren.

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision des Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Zwar war der Kläger nicht - wie das OLG meinte - durch "Verarbeitung" gem. § 950 Abs. 1 S. 1 BGB Eigentümer der Tonbänder geworden. Denn ein Tonband wird allein durch das Aufnehmen von Tondokumenten nicht zu einer neuen Sache. Die Tatsache, dass die Tondokumente historisch wertvoll und einmalig sind, ändert daran nichts. Die Tonbänder sind aber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Auftragsverhältnisses herauszugeben.

Die Parteien hatten in Ausführung der Verlagsverträge miteinander konkludent eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über das von dem Kläger zur Verfügung zu stellende Material getroffen. Diese Vereinbarung stellte rechtlich ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis dar, wobei der Kläger als Auftraggeber anzusehen war. Denn allein dieser hatte nach den Verlagsverträgen über den Inhalt der Memoiren zu entscheiden. Nachdem der Kläger die Zusammenarbeit beendet und damit den Auftrag widerrufen hatte, war der Beklagte nach § 667 BGB verpflichtet, ihm alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hatte.

Hiervon erfasst waren nicht nur zur Verfügung gestellte Dokumente, sondern auch die dem Beklagten mitgeteilten und von ihm aufgezeichneten persönlichen Erinnerungen und Gedanken des Klägers. Auf das Eigentum an den Tonbändern, auf denen die Lebenserinnerungen des Klägers aufgezeichnet sind, kam es insofern nicht an. Denn wer fremde Geschäfte besorgt und damit auf die Interessen eines anderen zu achten hat, soll aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber gebühren. Setzt der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie etwa ein Tonband, ein, muss er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden kann.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 118 vom 10.7.2015
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