Anforderungen an Aufzeichnungspflichten bei § 4 Abs. 3 EStG/Zulässigkeit einer Quantilsschätzung
KurzbesprechungAO § 146 Abs. 1, § 162 Abs. 1, 2
EStG § 4 Abs. 3
Die Ergebnisse des BFH - Beschlusses im Rahmen der summarischen Prüfung des Aussetzungsverfahrens lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• Eine Aufbewahrung von Tagessummen-Belegen mit Einzelaufzeichnung der Erlöse und Summenbildung kann, sofern im Betrieb keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen angefallen sind, in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse den formellen Anforderungen an die Aufzeichnungen genügen.
• Die Rechtsprechung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, ist nicht auf Einzelhändler beschränkt, sondern kann auch auf Klein - Dienstleister anwendbar sein.
• Die Anforderungen, die der BFH bereits bislang an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (BFH v. 25.3. 2015 - X R 20/13, BStBl II 2015, 743), gelten auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden. Dabei schließt eine während des Prüfungszeitraums vorgenommene Preiserhöhung um 26 % es im Regelfall aus, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen.
• Offen bleibt weiterhin, ob die monatlichen Rohgewinnaufschlagsätze, die von der Software der Finanzverwaltung geschätzt werden, der Gauß'schen Normalverteilung folgen, und ob die in einem üblichen Prüfungszeitraum (drei Jahre mit 36 Monats-Einzelwerten) erhobene Grundgesamtheit groß genug für die Anwendung der bei einer Gauß'schen Normalverteilung geltenden Gesetzmäßigkeiten ist.
Der BFH entschied, dass die Anforderungen, die die bisherige BFH-Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat, bei summarischer Betrachtung im Aussetzungsverfahren auch dann gelten, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden. Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden. Das FA hatte im Streitfall die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus bestanden Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hatte. Außerdem wies der BFH darauf hin, dass er derzeit nicht erkennen kann, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs- Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll.
BFH, Urteil vom 12.7.2017, X B 16/17, veröffentlicht am 2.8.2017