27.03.2015

Angestellter mit Schlüssel ist nicht Besitzer der Räumlichkeit

Die Tatsache, dass ein (leitender) Angestellter über Schlüssel zu Räumen oder Nebenräumen des Arbeitgebers verfügt, dient im Allgemeinen der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben und führt nicht dazu, dass er selbst als Besitzer der Räumlichkeit anzusehen ist (Besitzdiener). Die tatsächliche Gewalt über Gegenstände, die sich in den Räumen des Arbeitgebers befinden, wird nach der Verkehrsanschauung im Zweifel nicht dem Arbeitnehmer, sondern dem Arbeitgeber als dem Besitzherrn zugeordnet und von dessen generellen Besitzbegründungswillen getragen.

BGH 30.1.2015, V ZR 63/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger war von 1970 bis 2000 Geschäftsführer einer Bezirkszahnärztekammer, bei der es sich um eine unselbständige Untergliederung der Beklagten zu 4) handelt. 1999 hatte er mit seiner damaligen Ehefrau, der Beklagten zu 2), für das darauffolgende Jahr einen Umzug geplant. Im Spätsommer 1999 erhielten beide Besuch von der Schwester der Ehefrau, der Beklagten zu 1). Der Kläger bat diese, fünf verschlossene Holzweinkisten mitzunehmen. Das tat die Beklagte zu 1). Sie ging davon aus, dass diese Wein enthielten und im Hinblick auf den Umzug bei ihr gelagert werden sollten.

Ebenfalls im Jahr 1999 führte die Kammer ihre regelmäßige Spendenaktion zu karitativen Zwecken durch, in deren Verlauf Zahnärzte Sammeldosen für gebrauchtes Zahngold in ihren Praxen aufstellten. In die Aktion eingebunden war die H-GmbH, die zu der Firmengruppe der Beklagten zu 3) gehört; sie sollte den Scheideprozess durchführen und der Kammer den Reingoldanteil vergüten. Mitte Oktober 1999 bescheinigte der von der H-KG mit der Abholung betraute S. der Kammer den Erhalt von 140 kg Altzahngold. Tatsächlich lieferte er jedoch nur rund 77 kg bei der H-KG ab. Gegen S. wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Unterschlagung eingeleitet, das dann aber gem. § 170 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt wurde.

Im Jahr 2002 trennten sich der Kläger und die Beklagte zu 2). Im Oktober 2002 öffnete die Beklagte zu 1) die Weinkisten und stellte fest, dass diese mit Altzahngold gefüllt waren. Daraufhin übergaben die Beklagten zu 1) und 2) das Zahngold an die Staatsanwaltschaft. Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde nicht eröffnet. Die Staatsanwaltschaft hinterlegte die Kisten nebst Inhalt beim AG und benannte die Parteien als mögliche Berechtigte.

Das LG wies die Klage, mit welcher der Kläger die Beklagten verurteilen lassen wollte, ihre Zustimmung zu der Herausgabe der hinterlegten Kisten samt Altzahngold zu erklären, ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revisionen der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers war zwar § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Allerdings konnte mit der Begründung des OLG ein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch des Klägers gegen die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Altzahngoldes nicht bejaht werden. Ein solcher Anspruch bestand nicht, weil der Kläger nicht letzter Gewahrsamsinhaber war; insoweit kam es nicht auf die zivilrechtlichen Besitzverhältnisse, sondern auf die tatsächliche unmittelbare Sachherrschaft an.

Unzutreffend war insbesondere die vom Berufungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung, der Kläger sei bereits deshalb als Besitzer anzusehen, weil er, ohne Organ der Kammer zu sein, den Schlüssel zu dem Raum gehabt habe. Die Vorinstanz hat insofern übersehen, dass der Kläger als (leitender) Angestellter hinsichtlich der Räumlichkeiten der Kammer deren Besitzdiener war. Denn dass ein (leitender) Angestellter über Schlüssel zu Räumen oder Nebenräumen des Arbeitgebers verfügt, dient im Allgemeinen der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben und führt nicht dazu, dass er selbst als Besitzer der Räumlichkeit anzusehen ist.

Die tatsächliche Gewalt über Gegenstände, die sich in den Räumen des Arbeitgebers befinden, wird nach der Verkehrsanschauung im Zweifel nicht dem Arbeitnehmer, sondern dem Arbeitgeber als dem Besitzherrn zugeordnet und von dessen generellen Besitzbegründungswillen getragen; hiervon ausgenommen ist nur offenkundig persönlicher Besitz des Arbeitnehmers. Zu Unrecht führte das Berufungsgericht für den Besitz des Klägers an, er habe seinen Willen, die Sachen wie ein Eigentümer zu beherrschen, durch die Abholung der Kisten deutlich zum Ausdruck gebracht. Nach dieser Argumentation würde die Eigentumsvermutung für einen Arbeitnehmer eingreifen, der sich betriebliche Gegenstände aneignet, indem er sie abtransportiert.

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