08.11.2012

Anordnung der Urnenbestattung gegenüber leiblichem Kind kann unbillig sein

Die Bestattungspflicht des leiblichen Kindes ist ausnahmsweise unbillig, wenn dem Verstorbenen (gleichzeitig mit dem anderen Elternteil) das Sorgerecht gem. § 1671 Abs. 5 GBG a.F. gerichtlich entzogen wurde, weil damit sinngemäß eine Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten des Verstorbenen festgestellt werden sollte. Dagegen begründen gestörte oder zerrüttete Familienverhältnisse, fehlende Bindung und vernachlässigte familiäre Pflichten allein ebenso wenig eine Unbilligkeit, wie das Ausschlagen des Erbes des Verstorbenen.

VG Oldenburg 5.9.2012, 5 A 1368/11
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Tochter des im April 2011 verstorbenen Herrn K. Dieser hinterlässt noch zwei weitere Söhne. Der Verstorbene war zum Zeitpunkt seines Ablebens von allen seinen Ehefrauen geschieden. Zu seinen Kindern unterhielt er keinen Kontakt. Er hatte auch keine Unterhaltsleistungen erbracht. Die Klägerin kam mit ihrem Bruder 1970 in ein Kinderheim, nachdem ihre Mutter sie bei ihren Großeltern, den Eltern des Verstorbenen, ausgesetzt hatte. Anschließend wurde das Sorgerecht auf ihre Tante - die Schwester des Verstorbenen - übertragen.

Die Beklagte erfuhr im Mai 2011 vom Tod des Verstorbenen und bemühte sich etwaige Bestattungspflichtige aufzufinden. Nachdem sie Angehörige innerhalb der gesetzlichen Frist für die Bestattung nicht ermitteln konnte, veranlasste sie die Einäscherung des Verstorbenen. Kurz darauf ordnete die Beklagte gegenüber der Klägerin an, die Urne mit den Ascheresten des Verstorbenen bis spätestens Juni 2011 auf eigene Kosten beisetzen zu lassen. Zudem drohte sie die Ersatzvornahme an. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam, veranlasste die Beklagte die Beisetzung der Urne. Die Kosten beliefen sich auf ca. 1.994 €.

Nachdem die Klägerin Kenntnis von dem Tod ihres Vaters erlangt hatte, schlug sie die Erbschaft aus. Die Beklagte forderte die Klägerin sowie deren Brüder zur Zahlung der Bestattungskosten auf. Die Klägerin weigerte sich und wies darauf hin, dass beiden Elternteilen das Sorgerecht wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen worden sei. Das VG gab der Anfechtungsklage statt.

Gründe:
Der Bescheid der Beklagten war aufzuheben.

Die Bestattungspflicht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG setzt zwar allein die Eigenschaft als Kind des Verstorbenen voraus. Insoweit kommt es grundsätzlich nicht auf ein tatsächlich bestehendes persönliches Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen an. Sie entfällt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und zwar, wenn sie sich als unzumutbar und unverhältnismäßig erweist.

Danach begründen gestörte oder zerrüttete Familienverhältnisse, fehlende Bindung und vernachlässigte familiäre Pflichten allein ebenso wenig eine Unbilligkeit, wie das Ausschlagen des Erbes des Verstorbenen. Die Bestattungspflicht ist aber ausnahmsweise unbillig, wenn dem Verstorbenen (gleichzeitig mit dem anderen Elternteil) das Sorgerecht gem. § 1671 Abs. 5 GBG a.F. gerichtlich entzogen wurde, weil damit sinngemäß eine Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten des Verstorbenen festgestellt werden sollte.

Die Klägerin hat hinreichend nachgewiesen, dass das Sorgerecht dem Verstorbenen nicht lediglich anlässlich einer Scheidung gem. § 1671 Abs. 1 BGB a.F., sondern wegen Gefährdung des Kindeswohls i.S.d. § 1671 Abs. 5 BGB oder § 1666 BGB a.F. entzogen worden war. Ob der Sorgerechtsentzug auf § 1666 BGB a.F. oder § 1671 Abs. 5 BGB a.F. gestützt wurde, konnte letztlich offen bleiben, da beiden Regelungen Sachverhalte zu Grunde lagen, die sich heute nach den §§ 1666, 1666a BGB bemessen würden. Gem. § 1671 Abs. 5 BGB a.F. konnte die elterliche Gewalt über das Kind der sich trennenden Elternteile auf einen Vormund oder Pfleger übertragen werden.

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