03.05.2011

Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für Klage auf Aufhebung einer Scheinehe nicht rechtsmissbräuchlich

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Aufhebung der mit einem Ausländer zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangenen Scheinehe ist nicht rechtsmissbräuchlich. Eine Partei, die rechtsmissbräuchlich die Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, trifft grundsätzlich die Pflicht, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können.

BGH 30.3.2011, XII ZB 212/09
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren auf Aufhebung der mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe. Die 1968 geborene Antragstellerin schloss am 7.3.2008 vor einem Standesamt in der Türkei eine Scheinehe mit dem Antragsgegner, einem türkischen Staatsangehörigen. Hierfür versprach ihr der Antragsgegner einen Betrag von 10.000 €, den die Antragstellerin nach ihrer Darstellung jedoch nicht erhalten hat. Eine eheliche Lebensgemeinschaft wurde nicht begründet.

Das AG - Familiengericht - versagte der Antragstellerin die nachgesuchte PKH. Ihre sofortige Beschwerde vor dem OLG blieb erfolglos. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat der Antragstellerin die nachgesuchte PKH jedenfalls zu Unrecht wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme versagt. Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist.

Das BVerfG hat die Frage, welche Auswirkungen die Rechtsmissbräuchlichkeit des Eingehens einer Scheinehe auf das PKH-Begehren für die anschließende Scheidung der Ehe hat, offen gelassen. Nach Ansicht der Richter, deren Auffassung die vorgenannte Entscheidung nicht getragen hat, ist PKH zu bewilligen, wenn die erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Ablehnung des PKH-Gesuchs mit der Begründung, wegen des Missbrauchs des Rechtsinstituts der Ehe dürfe der Steuerzahler nicht mit den Kosten des Scheidungsverfahrens belastet werden, finde im Gesetz keine Stütze. Eine solche Entscheidung führe dazu, dass die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt werde als die nicht bedürftige.

Dieser Betrachtungsweise schließt sich der erkennende Senat an. Wenn die Rechtsordnung die zu ehefremden Zwecken geschlossene Ehe als wirksam ansieht, stellt ein Eheaufhebungs- oder Scheidungsbegehren die einzige Möglichkeit zur Auflösung einer solchen Ehe dar. Bereits das spricht dagegen, das PKH-Gesuch als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Auch eine bemittelte Partei könnte die Auflösung einer Scheinehe nicht auf anderem Weg erreichen. Als rechtsmissbräuchlich kann daher grundsätzlich nur die Eingehung der Scheinehe als solche gesehen werden, nicht aber die Beseitigung der dadurch eingetretenen Rechtsfolgen durch die Eheaufhebungsklage.

Die Sache war an das OLG zurückzuverweisen, um diesem eine abschließende Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zu ermöglichen. Dabei wird ist zu beachten, dass eine Partei, die rechtsmissbräuchlich eine Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, die Verpflichtung trifft, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines - regelmäßig absehbaren - Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können. Nur wenn die Partei zur Bildung von Rücklagen nicht imstande war, können die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH erfüllt sein. Behauptet die Partei - wie im Streitfall die Antragstellerin -, das für die Eingehung der Scheinehe versprochene Entgelt nicht erhalten zu haben, hat sie dieses dem Gericht auf Verlangen glaubhaft zu machen.

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