22.08.2019

Antrag auf "schlichte" Änderung innerhalb der Klagefrist sowie notwendige Konkretisierung des Antrags in Schätzungsfällen

Die Anforderungen an die Konkretisierung des Antrags auf "schlichte" Änderung i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind nicht strenger als die Anforderungen an die Konkretisierung des Gegenstands des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 FGO.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.5.2019 - XI R 17/18

AO § 172 Abs. 1Nr. 2a
FGO § 65


Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist (§ 172 Abs. 1 Satz 2 AO).

In den Fällen des Satzes 2 ist Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat (§ 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO). Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 AO in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden (§ 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AO).

Die schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO steht zwar grundsätzlich im Ermessen des FA. Das Ermessen ist allerdings auf Null reduziert, wenn der Tatbestand der Korrekturvorschrift erfüllt ist. Eine Verpflichtung des FA zur Änderung des Bescheids kann aber nur dann ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung des FG ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung des FA besteht.

Wird nach Ergehen eines Steuerbescheids und einer --den Einspruch zurückweisenden-- Einspruchsentscheidung vom Steuerpflichtigen ein formungebundener, nicht zwingend schriftlicher Antrag auf "schlichte" Änderung zu seinen Gunsten gestellt, muss dieser Antrag, um wirksam zu sein, innerhalb der Klagefrist gestellt werden). Die Frist ist nicht verlängerbar. Außerdem ist ein bestimmter Antrag erforderlich. Das vom Steuerpflichtigen verfolgte Änderungsbegehren muss sich seinem --sachlichen-- Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag auf "schlichte" Änderung selbst ergeben, so dass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend sind. Ferner setzt der Änderungsantrag einen Bezug zu einem konkreten Sachverhalt voraus, der nach Ansicht des Steuerpflichtigen in dem ursprünglichen Steuerbescheid nicht zutreffend gewürdigt worden ist und daher nunmehr bei der beantragten Änderung abweichend berücksichtigt werden soll. Die betragsmäßige steuerliche Auswirkung der Abweichung (der "Änderungsrahmen") bildet diesen Lebenssachverhalt lediglich reflexartig ab, ohne dabei selbst zum Gegenstand des Änderungsantrags zu werden. Da eine § 367 Abs. 2 Satz 1 AO vergleichbare Vorschrift für das Verfahren bei einem Antrag auf "schlichte" Änderung fehlt, ermöglicht dieser eine punktuelle Korrektur.

Die bloß betragsmäßige Benennung eines Änderungsrahmens ohne Angabe eines gegenüber den bisherigen Besteuerungsgrundlagen abweichenden Lebenssachverhalts ermöglicht dagegen dem FA eine nur punktuelle Korrektur gerade nicht. Vielmehr müssen die für die Bearbeitung des Antrags erforderlichen Korrekturpunkte innerhalb der Einspruchsfrist so hinlänglich bezeichnet werden, dass der Behörde die anschließende Bearbeitung des Änderungsantrags auch tatsächlich möglich ist.

Im Streitfall hatte das FG hat seine Auffassung, die Anträge seien hinreichend konkret, damit begründet, dass in der DATEV- Berechnung "Körperschaftsteuer 2015" die Summe der Einkünfte, der Gesamtbetrag der Einkünfte und das zu versteuernde Einkommen ebenso beziffert sind wie die nicht abziehbaren Aufwendungen und deren Ermittlung. Zudem hatte die Steuerpflichtige, eine GmbH, in ihrer DATEV- Berechnung zur Umsatzsteuer 2015 nicht nur die für das Streitjahr festzusetzende Umsatzsteuer, sondern auch ihre Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19 %, die anderen steuerpflichtigen Leistungen, die abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern und aus innergemeinschaftlichen Erwerben erklärt sowie bezifferte Angaben zu Abschnitt F der Anlage UR gemacht. Zur Gewerbesteuer 2015 hatte die Steuerpflichtige ihren endgültigen Verlust gemäß § 7 GewStG angegeben sowie unter der Überschrift "Hinzurechnungen/ Finanzierungsanteile" die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 GewStG konkret bezeichnet. Die Gewerbesteuerrückstellung beträgt nach der DATEV- Berechnung./. 9.188 €. Weiter heißt es in der Berechnung, dass dieser Betrag zu aktivieren sei.

Der BFH hält dies für ausreichend, um von hinreichend begründeten Anträgen auf schlichte Änderung ausgehen zu können. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Anforderungen, die § 65 FGO an den Inhalt eines Klageantrags stellt. Er stellte klar, dass an die erforderliche Konkretisierung des Antrags auf "schlichte" Änderung keine strengeren Anforderungen zu stellen sind als an die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens in Schätzungsfällen.  Denn der mit § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO verfolgte Zweck würde verfehlt, wenn wegen fehlender Konkretisierung unzulässige Änderungsanträge im Wege rechtsschutzgewährender Auslegung als zulässige Klagen ausgelegt werden müssten.

BFH, Beschluss vom 22.5.2019, XI R 17/18, veröffentlicht am 22.8.2019.
Verlag Dr. Otto Schmidt