20.09.2016

Anzeige eines Reisemangels durch den Reisenden nicht wegen Kenntnis des Mangels durch den Reiseveranstalter entbehrlich

Die Anzeige eines Reisemangels durch den Reisenden ist nicht schon deshalb entbehrlich, weil dem Reiseveranstalter der Mangel bereits bekannt ist. Der Umstand, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden nicht auch ohne Anzeige Abhilfe anbietet, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der Reiseveranstalter dazu nicht in der Lage oder nicht willens ist. Gerade in dieser Situation ermöglicht es die im Gesetz vorgesehene Mangelanzeige, für beide Vertragsparteien klare Verhältnisse zu schaffen.

BGH 19.7.2016, X ZR 123/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise für sich und seine Ehefrau nach Teneriffa von 12. bis 25.9.2014. Vereinbart war die Unterbringung in einem Hotel in Puerto de la Cruz. Während des gesamten Aufenthalts fanden im Eingangsbereich des Hotels und auf einem benachbarten Grundstück Bauarbeiten statt, die tagsüber mit erheblicher Lärmentwicklung verbunden waren. Der Kläger und seine Ehefrau beanstandeten dies gegenüber der zuständigen Reiseleiterin am 22.9.2014.

Der Kläger macht aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau eine Minderung des Reisepreises und eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wegen des Baulärms und weiterer Mängel geltend. Nachdem die Beklagte die Klageforderung i.H.v. 253 € anerkannt hatte, sprach das AG diesen Betrag durch Teilanerkenntnisurteil zu. Hinsichtlich der verbliebenen Klageforderung wies das AG die Klage ab.

Das LG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte, an den Kläger wegen des Baulärms rd. 1.300 € nebst Zinsen abzgl. des durch Teil-Anerkenntnisurteil zugesprochenen Betrags sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. rd. 200 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schluss des LG, Ansprüche des Klägers auf Erstattung eines Teils des Reisepreises wegen Minderung und auf Zahlung einer Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit in der zuerkannten Höhe seien für die gesamte Dauer der Reise unabhängig davon begründet, ob schon vor dem 22.9.2014 eine Mangelanzeige erfolgte.

In der Tatsache, dass in dem von den Reisenden gebuchten Hotel, auch in unmittelbarer Nähe ihres Zimmers, Bauarbeiten stattfanden, die tagsüber durchgängig mit einem außerordentlich hohen Geräuschpegel verbunden waren, liegt ein Reisemangel. Der Beklagten war dieser Mangel bekannt. Die Minderung des Reisepreises tritt nach § 651d Abs. 2 BGB nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen. Auch der Schadensersatzanspruch gem. § 651f BGB setzt grundsätzlich eine Mangelanzeige voraus. In Rechtsprechung und Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, die Minderung des Reisepreises trete unabhängig von einer Mangelanzeige ein, wenn dem Reiseveranstalter oder der für ihn tätigen örtlichen Reiseleitung der Mangel positiv bekannt sei. Dieser Auffassung hat sich das LG in der angefochtenen Entscheidung angeschlossen. Nach der Gegenansicht ist die Mangelanzeige auch dann nicht entbehrlich, wenn dem Reiseveranstalter der Mangel bekannt ist. Letztere Ansicht trifft zu.

§ 651d Abs. 2 BGB begründet eine Obliegenheit des Reisenden, einen Reisemangel anzuzeigen. Verletzt der Reisende diese Obliegenheit schuldhaft, steht ihm regelmäßig ein Anspruch auf Minderung nicht zu. Nach Auffassung des Gesetzgebers soll die Anzeige des Mangels dem Reiseveranstalter Gelegenheit geben, dem Mangel abzuhelfen und für die Zukunft eine vertragsgemäße Leistung sicherzustellen. Sie liegt im berechtigten Interesse des Reiseveranstalters, der die Möglichkeit haben soll, dem Mangel abzuhelfen und damit Gewährleistungsansprüche zu vermeiden oder zu begrenzen. Eine Mangelanzeige mit Abhilfeverlangen, die regelmäßig nur geringe Mühe macht, liegt aber auch im wohlverstandenen Interesse des Reisenden an einem möglichst ungestörten Urlaub. Mängel, die zu beheben sind, stillschweigend in Kauf zu nehmen, um nach Beendigung der Reise daraus Ansprüche herleiten zu können, entspricht dagegen nicht redlicher Vertragsabwicklung.

Der Zweck einer Mangelanzeige nach § 651d Abs. 2 BGB kann nicht erreicht werden, wenn dem Reiseveranstalter eine Abhilfe nicht möglich war. In diesem Fall ist eine Mangelanzeige entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung entbehrlich. Gleiches gilt, wenn der Reiseveranstalter von vornherein und unmissverständlich zu erkennen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein. Demgegenüber genügt die Kenntnis des Reiseveranstalters von einem Reisemangel als solche nicht, um die in § 651d Abs. 2 BGB bestimmte Folge des Unterbleibens einer Mangelanzeige auszuschließen.

Ein Reiseveranstalter kann bei einem ihm bekannten Mangel dem Reisenden zwar auch ohne Anzeige Abhilfe anbieten. Der Umstand, dass dies nicht geschieht, rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, dass der Reiseveranstalter dazu nicht in der Lage oder nicht willens ist. Gerade in dieser Situation ermöglicht es die im Gesetz vorgesehene Mangelanzeige, für beide Vertragsparteien klare Verhältnisse zu schaffen. Für den Reisenden stellt das Anzeigeerfordernis schon deshalb keine unzumutbare Erschwernis dar, weil Mängel der Reise nach Art und Gewicht sehr unterschiedlich sein können und von unterschiedlichen Reisenden, je nach deren persönlichen Ansichten, Verhältnissen und Bedürfnissen häufig sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden.

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