16.08.2011

Architektenhaftung: Entscheidung im Betragsverfahren darf nicht im Widerspruch zum früheren Grundurteil stehen

Ist von einem Gericht dem Grunde nach entschieden worden, dass ein Architekt zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dadurch entstanden ist, dass der Auftraggeber infolge einer fehlerhaften Kostenberatung von der Durchführung eines Bauvorhabens nicht abgesehen hat, darf es im Betragsverfahren den Schaden nicht mit der Begründung verneinen, die Kostenschätzung sei nicht fehlerhaft gewesen. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung des § 318 ZPO.

BGH 14.7.2011, VII ZR 142/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Hinblick auf die beabsichtigte Modernisierung seines Anwesens im März 1997 die Beklagten mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 - 4 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F. beauftragt. Die Beklagten erstellten hierzu Kostenschätzungen, in denen sie für die Ausführung des Bauvorhabens letztlich Kosten von brutto rund 1,9 Mio. DM ermittelten. Mit der weiteren Durchführung der Umbau- und Sanierungsmaßnahmen beauftragte der Kläger sodann einen anderen Architekten. Die tatsächlichen Kosten beliefen sich letztlich auf mehr als 3,2 Mio. DM.

Der Kläger begehrte anschließend von den beklagten Architekten Schadensersatz i.H.v. 200.000 € und Feststellung, dass diese auch den weiteren Schaden zu ersetzen haben, der ihm durch fehlerhafte Kostenberatung anlässlich der Sanierung und des Umbaus seines Wohn- und Geschäftshauses entstanden war. Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr dem Grunde nach statt. Eine Pflichtverletzung der Beklagten liege darin, dass diese Kostenschätzungen abgegeben hätten, ohne den Kläger über die Toleranzen aufzuklären, die mit ihnen verbunden gewesen seien. Die Pflichtverletzung sei ursächlich für den im Betragsverfahren zu ermittelnden Schaden.

Im anschließenden Betragsverfahren wies das Berufungsgericht die Klage allerdings ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil auf und wies die sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte die Bindungswirkung seines Grundurteils verkannt.

Ein Berufungsgericht darf sich nicht in Widerspruch zu seinem früheren Grundurteil setzen. Das folgt zwar nicht aus der Rechtskraft i.S.d. § 322 ZPO, weil ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO nur formell, nicht aber auch materiell rechtskräftig wird, ergibt sich aber aus der Bindungswirkung des § 318 ZPO. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist für den Umfang der Bindung eines Grundurteils das wirklich Erkannte maßgebend. Was erkannt wurde, wird durch die Urteilsformel in Verbindung mit den Urteilsgründen festgelegt.

Das OLG hat hier mit der notwendigen Eindeutigkeit dem Grunde nach entschieden, dass die Beklagten dem Kläger gem. § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz haften, weil sie ihn nicht über die Toleranzen der Kostenschätzung aufgeklärt und keine Kostenberechnung erstellt hatten. Damit hat es bindend entschieden, dass der Kläger ohne die Pflichtverletzung das Bauvorhaben nicht durchgeführt hätte und die Beklagten den insoweit entstandenen Schaden zu ersetzen haben. Im Betragsverfahren stellte das OLG die tatsächlichen Baukosten den von den Beklagten geschätzten Kosten gegenüber, und weil die "bereinigten" tatsächlichen Kosten geringer als die Schätzkosten seien, verneinte es einen Schaden beim Kläger. Die Schadenshöhe war allerdings durch einen Vermögensvergleich des beim Kläger vorhandenen Vermögens mit und ohne Durchführung der Baumaßnahme festzustellen. Die Höhe der geschätzten Baukosten hatte darauf keinerlei Einfluss.

Soweit das Berufungsgericht im Betragsverfahren auf kostenverteuernde Maßnahmen des Klägers abstellte, wird es im weiteren Verfahren prüfen müssen, inwieweit der Kläger gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstoßen hat. Allein der Umstand, dass er solche Maßnahmen ergriffen hat, begründet nämlich noch kein Mitverschulden.

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