01.08.2016

Auch der Gläubiger eines dinglichen Herausgabeanspruchs kann nach Fristsetzung zu Schadensersatz statt der Leistung übergehen

Der Eigentümer einer Sache kann, wenn der bösgläubige oder verklagte Besitzer seine Herausgabepflicht nach § 985 BGB nicht erfüllt, unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs.1 u.3, 281 Abs.1 u.2 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

BGH 18.3.2016, V ZR 89/15
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war Getränkemarktbetreiberin und beteiligte sich am Einkaufsring der deutschen Getränkemärkte (EKR), der mit der mittlerweile insolventen C-GmbH einen Kooperations-vertrag geschlossen hatte. Diese erhielt dadurch die Vermarktungsrechte für digitale TV-Werbung und durfte in den Getränkemärkten der Mitglieder Videosysteme aufstellen, die in ihrem Eigentum verbleiben sollten.

Infolgedessen stellte die C-GmbH bis September 2011 rund 15 Videosysteme in den Getränkemärkten der Beklagten auf. Gestützt auf die Behauptung, die C-GmbH habe die Videosysteme zunächst an die Geschäftsführerin der Klägerin verkauft und übereignet und diese habe sie an die Klägerin weiterveräußert, forderte die Klägerin deren Herausgabe. Nachdem die Beklagte dies verweigert hatte, verlangte die Klägerin Schadensersatz und behauptet, sie hätte die Videogerätesysteme im Jahr 2013 für je 500€ veräußern können.

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Laut OLG besteht kein Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB und ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB wird von den speziellen Regelungen der §§ 987 ff. BGB jedenfalls bis zur rechtskräftigen Herausgabe-Verurteilung verdrängt. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 989, 990 BGB besteht nicht, da die Klägerin den Ausgleich eines Vermögensnachteils verlangt, der von den genannten Vorschriften nicht erfasst ist. Der Schaden darf für deren Anwendbarkeit nicht allein auf der Vorenthaltung der Sache beruhen. Hier aber handelt es sich um einen Vorenthaltungsschaden, denn nach den Feststellungen des OLG sind die Videosysteme nach wie vor im Besitz der Beklagten und können herausgegeben werden.
Weiterhin geht der Senat von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 280, 281 BGB auf den Herausgabeanspruch des § 985 BGB aus. Einschränkend sind die gesetzgeberischen Wertungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§987ff. BGB) zu beachten. Der Eigentümer einer Sache kann somit, wenn der bösgläubige oder verklagte Besitzer seine Herausgabepflicht nach § 985 BGB nicht erfüllt, unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs.1 u.3, 281 Abs.1 u.2 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

Der Anwendung der §§ 280, 281 BGB auf den Herausgabeanspruch steht, anders als das OLG meint, nicht entgegen, dass es auf eine Art "Zwangskauf" hinausliefe, wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung anstelle der Herausgabe verlangen könnte. Der Schuldner wird rechtlich nicht gezwungen, die Sache zu erwerben. Gibt er sie nach  grundsätzlich erforderlicher Fristsetzung nicht freiwillig heraus, läuft er aber Gefahr, dass der Gläubiger schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung über den Anspruch aus § 985 BGB Schadensersatz verlangt; er kann seine Pflicht aus § 985 BGB dann nicht mehr durch die Herausgabe der Sache  erfüllen. Hierin, nicht in der dann gegebenen  Möglichkeit, die Sache nach dem Rechtsgedanken von §281 Abs. 4 u.5 sowie §255 BGB im Gegenzug zu erwerben, besteht die Verschlechterung der Rechtsstellung des Schuldners.

Wie bei schuldrechtlichen Rückgewähransprüchen besteht auch bei einem dinglichen Herausgabeanspruch ein Interesse und ein praktisches Bedürfnis, einfach, kostengünstig und rechtssicher von einem Leistungsanspruch zu einem Schadensersatzanspruch übergehen zu können, für den Eigentümer gleichermaßen wie für einen obligatorischen Herausgabegläubiger. Insbesondere bei fehlgeschlagener Vollstreckung wegen Herausgabeverweigerung und Unauffindbarkeit der Sache bliebe dem Eigentümer sonst nur ein neuer, nunmehr auf die §§ 989,990 BGB gestützter Prozess.

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der Gläubiger nach Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der Leistung sicher sein, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung verlangen zu können. Dieses für die Anspruchsdurchsetzung wichtige Instrument muss auch dem Vindikationsgläubiger zur Verfügung stehen und er ist bei seiner Rechtsverfolgung nicht schlechter zu stellen als der schuldrechtliche Gläubiger. Schließlich muss ihm möglich bleiben, seine Klage auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 281 BGB für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der vom Gericht zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs  gesetzten Frist unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO bereits zusammen mit der Herausgabeklage zu erheben (§ 255 ZPO).

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