30.01.2012

Auch nach jahrelanger Durchführung des Mietvertrages darf sich jede Partei auf eine Formunwirksamkeit berufen

Jede Partei darf sich grundsätzlich - auch nach jahrelanger Durchführung des Mietvertrages - darauf berufen, dass die für den langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist. Nur ausnahmsweise, wenn die Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es rechtsmissbräuchlich sein, den Formmangel geltend zu machen.

OLG Düsseldorf 23.1.2012, I-10 U 66/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten darüber, ob sich ihr gewerbliches Mietverhältnis durch Optionserklärung der Beklagten vom 31.3.2008 bis zum 31.12.2011 verlängert hatte oder ob die Beklagte das Mietverhältnis wegen eines vertraglichen Schriftformmangels wirksam mit Schreiben vom 30.5.2010 zum 31.12.2010 gekündigt hatte. Das LG wies die Feststellungsklage, dass das Mietverhältnis über den 31.12.2010 hinaus fortbestehe ab. Mangels Wahrung der gesetzlichen Schriftform habe der Vertrag von der Beklagten mit der Frist des § 580a Abs. 2 BGB gekündigt werden können.

Der Kläger machte geltend, für den Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis sei ein schriftlicher Vertrag zwischen ihr und dem Kläger nicht erforderlich. Die Vertragsübernahme setze regelmäßig die Einigung des Übernehmenden mit dem ausscheidenden und dem verbleibendem Vertragspartner bzw. dessen Zustimmung voraus. Letztere habe der Kläger erteilt, was auch formfrei möglich sei. Dem LG sei auch nicht darin zu folgen, dass es der Beklagten nicht nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf den Mangel der Schriftform zu berufen.

Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Wird der - hier gewerbliche - Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form abgeschlossen, gilt er nach § 550 S. 1 BGB für unbestimmte Zeit und kann - mit der Einschränkung des § 550 Satz 2 BGB - jederzeit mit gesetzlicher Frist gem. § 580 a Abs. 2 BGB gekündigt werden. Diese Voraussetzung war hier erfüllt, denn der  für die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform der §§ 550, 126 BGB beweispflichtige Kläger hatte nicht beweisen, dass zwischen den Parteien ein der gesetzlichen Schriftform entsprechender Mietvertrag bestand.

Die Schriftform eines langfristigen Mietvertrages ist bei einem rechtsgeschäftlichen Mieterwechsel durch zweiseitigen Vertrag zwischen Alt- und Neumieter ungeachtet der formfrei möglichen Zustimmung des Vermieters nur eingehalten, wenn diese Mieteintrittsvereinbarung dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügt. Das erfordert, dass der Mieter oder der Mietnachfolger dessen Eintritt in die Mieterstellung durch eine Urkunde belegen kann, die ausdrücklich auf den Ursprungsmietvertrag Bezug nimmt. Die vertragliche Auswechselung des Mieters muss darin zur Wahrung der Schriftform dergestalt beurkundet sein, dass sich die vertragliche Stellung des Mietnachfolgers im Zusammenhang mit dem zwischen dem bisherigen Mieter und dem Vermieter geschlossenen Mietvertrag ergib.

Zwar lag hier das Einverständnis des Vermieters vor, doch entsprach es nicht den für die Einhaltung der Schriftform des § 550 BGB geltenden Grundsätzen. Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die Einigung über alle wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen - insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen.

Die Parteien des Ausgangsmietvertrages aus dem Jahr 1975 hatten diesen durch Nachträge in jeweils wesentlichen Punkten geändert, so dass die Mieteintrittsvereinbarung im Praxisübernahmevertrages zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB auf diese Nachtragsvereinbarungen ausdrücklich hätte Bezug nehmen müssen. Ohne eine solche Bezugnahme war für einen potenziellen Erwerber - auch nicht im Wege der Auslegung - aus der Einsicht in den Praxisübernahmevertrag nicht ersichtlich, dass er in einen Mietvertrag mit umfangreichen Nachträgen eintritt.

Letztlich war die Beklagte auch nicht gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Mangel der Schriftform zu berufen. Denn jede Partei darf sich grundsätzlich - auch nach jahrelanger Durchführung des Mietvertrages - darauf berufen, dass die für den langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist. Nur ausnahmsweise, wenn die Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Formmangel zu berufen. Dass beide Parteien zunächst rechtsirrig von der Wirksamkeit des Mietvertrages ausgegangen waren, führte jedoch ebenso wenig zur Anwendung des § 242 BGB wie die Einlassung der Beklagten auf ein Mieterhöhungsschreiben.

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