08.03.2012

Auch Nicht-EU-Bürger haben einen Anspruch auf Landeserziehungsgeldes nach dem BayLErzGG

Der Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern von der Gewährung des Landeserziehungsgeldes nach dem BayLErzGG ist verfassungswidrig. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie ist nicht auf Deutsche beschränkt.

BVerfG 28.2.2012, 1 BvL 14/07
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige und wohnt seit 1984 in Bayern. Sie hat seit 1988 wiederholt gearbeitet. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Jahr 2000 und damit vor dem Beitritt Polens zur EU geborenen Kindes wurde zurückgewiesen. Die Behörde war der Ansicht, das Landeserziehungsgeld stehe ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit nicht zu. Bezugsberechtigt sei gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitze.

Ihre hiergegen erhobene Klage führte zunächst zur Vorlage vor den Bayerischen VGH, der die Regelung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BayLErzGG für vereinbar mit der bayerischen Verfassung erklärte. Das SG legte die Vorschrift sodann dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vor, weil es sie für nicht vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem grundrechtlich gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie hielt.

Das BVerfG hat den Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern von der Gewährung des Landeserziehungsgeldes nach dem BayLErzGG für verfassungswidrig erklärt.

Die Gründe:
Die Regelung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 wie auch die inhaltlich gleichen Nachfolgeregelungen sind nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ohne sachlichen Grund generell vom Anspruch auf Erziehungsgeld ausschließen. Der Gesetzgeber muss die verfassungswidrigen Regelungen bis zum 31.8.2012 durch eine Neuregelung ersetzen, ansonsten tritt die Nichtigkeit der Vorschriften ein.

Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie ist nicht auf Deutsche beschränkt. Die Ungleichbehandlung kann auch nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden, da das Kriterium der Staatsangehörigkeit weder auf diesen Zweck gerichtet noch geeignet ist, verlässlich Aufschluss über die Dauer des künftigen Aufenthalts einer Person zu geben. Da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet, kann sie auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von sog. Landeskindern gerechtfertigt werden.

Auch fiskalische Interessen können die Schlechterstellung ausländischer Staatsangehöriger durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist zwar ein legitimer Zweck. Allerdings vermag er für sich genommen eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht rechtfertigen. Ist kein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen erforderlichenfalls durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 18 vom 8.3.2012
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