19.04.2016

Ausgeschriebene Notarstelle: Bewertung der fachlichen Eignung konkurrierender Bewerber

Die für die Bewertung der fachlichen Eignung der konkurrierenden Bewerber gem. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO maßgebliche und sich zu 60 % nach dem Ergebnis der notariellen Fachprüfung und zu 40 % nach dem der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung bestimmende Gesamtpunktzahl ist rechnerisch nur bis auf zwei Dezimalstellen zu ermitteln. Der Begriff "jährlich" i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BNotO ist dahingehend auszulegen, dass der Bewerber in jedem auf das Bestehen der notariellen Fachprüfung folgenden Jahr die erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen ergriffen haben muss.

BGH 14.3.2016, NotZ(Brfg) 6/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich auf zwei in der Niedersächsischen Rechtspflege vom 15.7.2014 ausgeschriebenen Notarstellen beworben. Die Stellen erhielten jedoch der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2). Grund dafür war nach Ansicht des Beklagten ein Eignungsvorsprung gegenüber dem Kläger. Der Beklagte hatte die für die fachliche Eignung gem. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO maßgebliche Gesamtpunktzahl der konkurrierenden Bewerber rechnerisch bis auf zwei Stellen nach dem Komma ohne Auf- oder Abrundung ermittelt. Während sich die bessere fachliche Eignung des Beigeladenen zu 2) unmittelbar aus seinem Gesamtpunktwert ergab, hat der Beklagte bei der Auswahl zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) gem. § 6 Abs. 3 S. 4 BNotO auf das bessere Ergebnis des Beigeladenen zu 1) in der notariellen Fachprüfung abgestellt.

Der Kläger war der Ansicht, dass die für den Eignungsvergleich unter mehreren Bewerbern maßgebliche Gesamtpunktzahl streng mathematisch bis auf die dritte Dezimalstelle auszuweisen sei. Das OLG wies die Klage ab. Der BGH wies den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung zurück.

Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Übertragung einer der beiden in der Niedersächsischen Rechtspflege ausgeschriebenen Notarstellen zustand.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die für die Bewertung der fachlichen Eignung der konkurrierenden Bewerber gem. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO maßgebliche und sich zu 60 % nach dem Ergebnis der notariellen Fachprüfung und zu 40 % nach dem Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung bestimmende Gesamtpunktzahl rechnerisch nur bis auf zwei Dezimalstellen zu ermitteln. Der Wortlaut der Vorschrift ist nicht eindeutig. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ihm nicht "klar" zu entnehmen, dass die für den Eignungsvergleich unter mehreren Bewerbern maßgebliche Gesamtpunktzahl streng mathematisch bis auf die dritte Dezimalstelle auszuweisen ist. Der Begriff der "Punktzahl" ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig.

Der Regelungszusammenhang spricht dafür, dass die "Punktzahl" i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO nur mit zwei Stellen nach dem Komma auszuweisen ist. Sowohl das Ergebnis der zweiten juristischen Staatsprüfung als auch das der notariellen Fachprüfung werden gem. § 2 der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Staatsprüfung - hinsichtlich der notariellen Fachprüfung i.V.m. § 7a Abs. 5 BNotO - rechnerisch nur bis auf zwei Dezimalstellen ohne Auf- oder Abrundung ermittelt. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass zwei Bewerber um eine Notar-stelle jeweils eine Gesamtpunktzahl i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO aufweisen, die bis auf die dritte Stelle nach dem Komma identisch ist, ist verschwindend gering.

Auch Sinn und Zweck der in § 6 Abs. 3 S. 3 u. 4 BNotO enthaltenen Bestimmungen sprechen dafür, dass unter der "Punktzahl" i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 3 BNotO der bis auf zwei Dezimalstellen ermittelte Gesamtwert zu verstehen ist. Das Ziel der Neuregelung des § 6 Abs. 3 BNotO lag darin, eine transparente und objektiv nachvollziehbare Reihenfolge der Bewerber aufstellen zu können, bei der die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 20.4.2004 (1 BvR 838/01 u.a.) herausgestellte vorrangige Bedeutung notarspezifischer Leistungen gegenüber der nur die allgemeine Befähigung für juristische Berufe dokumentierenden juristischen Staatsprüfung oder der Dauer der anwaltlichen Berufstätigkeit zum Tragen kommt.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die gilt insbesondere für die Frage, ob die Teilnahme an notarspezifischen Fortbildungsveranstaltungen i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BNotO auch im Jahr der Bewerbung erbracht und nachgewiesen sein muss. Denn der Begriff "jährlich" i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BNotO ist dahingehend auszulegen, dass der Bewerber in jedem auf das Bestehen der notariellen Fachprüfung folgenden Jahr die erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen ergriffen haben muss. Die Fortbildung muss dabei jeweils vor Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs erfolgt sein.

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