16.10.2017

Auslegung des Werkvertrags zur Ermittlung einer vereinbarten Beschaffenheit

Ob die Parteien eines Werkvertrags eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB getroffen und welche Beschaffenheit sie gegebenenfalls vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrags zu ermitteln. Bei der Auslegung im Hinblick auf eine etwaige Beschaffenheitsvereinbarung ist die berechtigte Erwartung des Bestellers an die Werkleistung von Bedeutung.

BGH 31.8.2017, VII ZR 5/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns für Malerarbeiten in Anspruch. Der Beklagte erwog, in der Produktionshalle einer Großbäckerei Malerarbeiten vornehmen zu lassen. Die Klägerin legte dort eine rd. 20 qm große Probefläche an, wobei sie diese Fläche reinigte, vorbereitete und strich. Nach dieser Behandlung sah die Probefläche schneeweiß aus. Nach Besichtigung der Probefläche erteilte der Beklagte der Klägerin den Auftrag bezüglich der Malerarbeiten in dieser Produktionshalle.

Die Arbeiten wurden zunächst bis April 2012 bei laufendem Betrieb der Bäckerei teilweise ausgeführt. Es kam zu Differenzen zwischen den Parteien und zu einer Arbeitspause bis zum Dezember 2012. Bei Wiederaufnahme der Arbeiten Anfang Dezember 2012 rügte der Beklagte einen bereits vergilbten und fleckigen Zustand der bearbeiteten Flächen. Die Parteien hoben das Vertragsverhältnis vor Fertigstellung aller Leistungen einvernehmlich auf. Der Beklagte verweigerte die Abnahme der klägerischen Werkleistung wegen der Vergilbung und begehrt Mangelbeseitigung.

Im Dezember 2012 stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung mit einem Gesamtbetrag von rd. 47.000 €; mit dieser Rechnung wird unter Berücksichtigung einer Abschlagszahlung des Beklagten i.H.v. von rd. 18.000 € ein Restbetrag i.H.v. rd. 29.000 € geltend gemacht.

Das LG wies die auf Zahlung restlichen Werklohns sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab. Das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann die Restwerklohnklage nicht dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet werden.

Es ist mangels gegenteiliger Feststellungen des OLG von Folgendem auszugehen: Die Parteien haben für die von der Klägerin durchzuführenden Malerarbeiten in der Produktionshalle denjenigen Weiß-Farbton vereinbart, den die Probefläche zum Zeitpunkt der Besichtigung aufwies; die Parteien haben weder vor noch bei Vertragsschluss über eine mögliche Vergilbung des Weißanstrichs gesprochen; der Beklagte hat bei Vertragsschluss nicht über besonderes Wissen bzgl. der Vergilbung von Weißanstrichen verfügt.

Nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB ist ein Werk mangelhaft, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung kann auch die Farbe eines Anstrichs sowie die Farbstabilität für einen bestimmten Zeitraum sein. Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Ob die Parteien eines Werkvertrags eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen und welche Beschaffenheit sie ggf. vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrags zu ermitteln. Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung.

Danach hält die vom OLG vorgenommene Auslegung des Werkvertrags der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Auslegungsergebnis des OLG, wonach hinsichtlich der Farbstabilität des Weißanstrichs keine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung zustande gekommen ist, beruht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung. Bei der Auslegung im Hinblick auf eine etwaige Beschaffenheitsvereinbarung ist die berechtigte Erwartung des Bestellers an die Werkleistung von Bedeutung.

Der Beklagte durfte mangels Erörterung des Vergilbungsrisikos vor oder bei Vertragsschluss und mangels besonderen Fachwissens zu dieser Problematik angesichts der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten die berechtigte Erwartung hegen, dass der nach der Besichtigung der Probefläche festgelegte Weißanstrich übliche Reinigung vorausgesetzt nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilben würde. Diesen für eine beiderseits interessengerechte Vertragsauslegung bedeutsamen Gesichtspunkt hat das OLG nicht hinreichend gewürdigt.

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