Beginn der Festsetzungsfrist bei Schenkung mehrerer Gegenstände
KurzbesprechungAO § 88 Abs. 1, § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2
Nach der für die Schenkungsteuer getroffenen Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eingetreten ist. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung festlegt. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.
170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO verlangt nach seinem Wortlaut positive Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung. Positive Kenntnis in diesem Sinn ist gegeben, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige FA nicht durch Anzeige gemäß § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten, Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat. Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht. Hinsichtlich einer mittelbaren Schenkung erlangt die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO dient der Sicherung des Steueranspruchs und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Finanzbehörde von Schenkungen regelmäßig erst spät - meist anlässlich des Todes des Schenkers - Kenntnis erlangt.
Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das FA aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies, wie der BFH jetzt entschieden hat, nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände. Denn die nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO für den Anlauf der Festsetzungsfrist erforderliche Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung bezieht sich in einem solchen Fall nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Schenkung eines jeden einzelnen dieser Vermögensgegenstände.
Da die Vorschrift die Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung voraussetzt, beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände daher nicht deshalb zu laufen, weil das FA die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Ermittlungen Kenntnis von der gesamten freigebigen Zuwendung zu erlangen. Ob das FA durch das Unterlassen solcher Ermittlungen gegen seine gemäß § 88 Abs. 1 AO bestehende Verpflichtung verstoßen hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, ist in diesem Zusammenhang daher nicht entscheidungserheblich.
BFH, Urteil vom 26.7.2017, II R 21/16, veröffentlicht am 4.10.2017.