23.09.2011

Bei fehlender Ursächlichkeit verschwiegener Mängel für den Kaufentschluss bleibt Berufung auf Haftungsausschluss verwehrt

Auch wenn ein arglistig verschwiegener Sachmangel für den Willensentschluss des Käufers nicht ursächlich war, ist dem Verkäufer die Berufung auf den vereinbarten Haftungsausschluss gem. § 444 BGB verwehrt. Ob sich ein Verkäufer auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, wenn ein arglistig verschwiegener Mangel ohne Einfluss auf den Willensentschluss seines Vertragspartners war, wurde für § 444 BGB in der seit 2002 geltenden Fassung somit erstmals höchstrichterlich entschieden.

BGH 15.7.2011, V ZR 171/10
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im November 2007 vom Beklagten eine Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel erworben. Die Wohnung befindet sich in einem ehemaligen Industriegebäude, das zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde und noch unrenoviert ist. Eine durch den Beklagten selbst übernommene Baulast sichert öffentlich-rechtliche Veränderungsbeschränkungen hinsichtlich des Gestaltwerts des Gebäudes, dem eine das Bild der Kulturlandschaft prägende Bedeutung nach § 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB zukommt. Auch der den Beklagten bei den Vertragsverhandlungen vertretende Immobilienkaufmann, hatte hiervon Kenntnis. Im Gegensatz zu vier anderen Baulasten wird diese Baulast nicht im Kaufvertrag erwähnt.

Die Kläger sahen sich später im Hinblick auf die unterlassne Aufklärung arglistig getäuscht und verlangten Rückabwicklung des Vertrages. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG liegt ein wesentlicher Mangel auch dann vor, wenn der Käufer - wie hier - den Vertrag in Kenntnis des Mangels ebenfalls geschlossen hätte und dieser damit nicht ursächlich für seinen Kaufentschluss wurde. Ob ein Mangel so wesentlich ist, dass er ungefragt offenbart werden muss, kann nicht aus der Sicht des jeweiligen Käufers bestimmt werden. Klärt der Verkäufer über einen objektiv wesentlichen Sachmangel nicht auf, kann er nämlich nicht wissen, ob dieser für die Kaufentscheidung seines Vertragspartners bedeutsam ist oder nicht. Maßgeblich ist allein, ob ein verständiger Verkäufer damit rechnen muss, dass der verschwiegene Mangel Einfluss auf die Entscheidung des Käufers hat. Dann ist der Mangel unabhängig von seinem tatsächlichen Einfluss auf den Kaufentschluss wesentlich und der Verkäufer zur Offenbarung verpflichtet. Und so lag die Sache hier.

Das Berufungsurteil stellte sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Denn eine fehlende Ursächlichkeit des Mangels für den Kaufentschluss schließt die geltend gemachten Ansprüche nicht aus. Ob sich ein Verkäufer auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, wenn ein arglistig verschwiegener Mangel ohne Einfluss auf den Willensentschluss seines Vertragspartners war, wurde für § 444 BGB in der seit 2002 geltenden Fassung höchstrichterlich noch nicht entschieden. Es wird überwiegend angenommen, dass die Arglist nicht ursächlich für den Vertragsschluss gewesen sein muss. Richtigerweise ist die Ursächlichkeit der Arglist für den Kaufentschluss unerheblich.

Anders als in § 123 Abs. 1 BGB findet die Kausalität im Wortlaut des § 444 BGB keine Erwähnung. Ein Kausalitätserfordernis wäre im Recht der Sachmängelhaftung systemwidrig. Während die Anfechtbarkeit im Fall einer arglistigen Täuschung die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit schützt, sind Ansprüche aus Sachmängelhaftung an eine Verletzung der in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache geknüpft. Sie setzen grundsätzlich nicht voraus, dass der Mangel die Kaufentscheidung beeinflusst hat. Während das arglistige Verhalten des Verkäufers nach § 463 S. 2 BGB a.F. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch war, ist die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache seit der Reform des Schuldrechts Teil des Erfüllungsanspruchs, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB.

Ein Schadensersatzanspruch ist gem. § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 S. 2, § 276 Abs. 1 S. 1 BGB auch bei einer fahrlässig verschuldeten mangelhaften Lieferung gegeben. Das arglistige Verhalten des Verkäufers ist in diesem Zusammenhang nur noch im Rahmen von § 444 BGB von Bedeutung. Diese Vorschrift soll den Käufer allein vor einer unredlichen Freizeichnung des Verkäufers von der Sachmängelhaftung schützen. Eine solche unredliche Freizeichnung ist gegeben, wenn der Verkäufer arglistig handelt. Weitere Voraussetzungen enthält § 444 BGB nicht.

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