15.06.2012

Berliner Notar darf keine Beurkundungen in der EU außerhalb Deutschlands vornehmen

Eine Genehmigung zur Vornahme von Urkundstätigkeiten außerhalb seines Amtsbezirks (hier: im EU-Ausland) ist dem Notar nur zu erteilen, wenn gewichtige Interessen der Urkundsbeteiligten gefährdet sind, sollte kein Notar ihres Vertrauens tätig werden. Allein die Wünsche und Interessen des Notars oder der Auftraggeber genügen insoweit nicht.

KG Berlin 1.6.2012, Not 27/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein in Berlin bestellter Anwaltsnotar. Mit Schreiben von September 2011 kündigte er gegenüber der beklagten Präsidentin des KG seine Absicht an, Mitte Oktober 2011 in Rotterdam eine Beurkundung nach deutschem Recht und in deutscher Sprache vorzunehmen. Er beantragte "rein vorsorglich", ihm für diese sowie alle weiteren in Zukunft von ihm beabsichtigten Beurkundungen in sämtlichen Ländern der EU außerhalb Deutschlands in seiner Eigenschaft als deutscher Notar die Genehmigung förmlich zu erteilen. Die Beklagte lehnte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab.

Im März 2012 kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten seine Absicht an, in Den Haag die Generalvollmacht eines dort wohnhaften deutschen Staatsangehörigen zu beurkunden. Insoweit beantragte er vorsorglich, ihm dies zu genehmigen. Die Beklagte versagte auch hier die Genehmigung. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen beide ablehnenden Entscheidungen der Beklagten.

Der Notarsenat des KG wies die Klage zurück. Die Berufung zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Genehmigung der Einzelbeurkundung in Den Haag noch auf Erteilung einer generellen Genehmigung.

Der Notar darf Urkundstätigkeiten außerhalb seines Amtsbezirks nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist oder die Aufsichtsbehörde es genehmigt hat, § 11 Abs. 2 BNotO. Aus der Gleichsetzung mit dem - hier von vornherein nicht einschlägigen - Tatbestand der Gefahr im Verzug folgt, dass die Genehmigung nur zu erteilen ist, wenn gewichtige Interessen der Urkundsbeteiligten gefährdet sind, sollte kein Notar ihres Vertrauens tätig werden. Allein die Wünsche und Interessen des Notars oder der Auftraggeber genügen insoweit nicht. Entsprechend ist in Ziff. 21 Abs. 1 AVNot geregelt, dass die Genehmigung nur in besonderen Ausnahmefällen - durch die Beklagte, vgl. Ziff. 21 Abs. 2 AVNot - erteilt werden soll. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 Abs. 1 AEUV, berufen. Die Tätigkeit der deutschen Notare fällt nicht in den Regelungsbereich dieser Grundfreiheit. Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Rechtspflege gehört zu den Sachbereichen, die im föderalen Verbund der EU grundsätzlich den Mitgliedstaaten zugeordnet sind. Rechtspflege und freiwillige Gerichtsbarkeit sind originäre Staatsaufgaben. Daran hat die Übertragung von Aufgaben aus diesen Bereichen, namentlich der Urkundstätigkeit auf Notare nichts geändert.

Der Staat könnte und müsste diese Aufgaben durch seine Behörden erfüllen, wenn er sie nicht den Notaren übertragen hätte. Damit beschränken sich aber auch die mit der Aufgabenübertragung verbundenen Befugnisse der Notare auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland, weil es keinen Unterschied macht, ob der Staat seine Aufgaben selbst oder durch von ihm bestimmte Amtsträger ausüben lässt. In beiden Fällen enden die jeweiligen Befugnisse an den Staatsgrenzen. I.Ü. bestand auch keine Veranlassung, die Sache zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH vorzulegen.

Hintergrund:
Das KG ist in diesem Fall in zwei grundsätzlich unterschiedlichen Funktionen tätig geworden: Als Verwaltungsbehörde und als Gericht. Die Notarabteilung des KG hat als Verwaltungsbehörde die Anträge des Notars geprüft und abgelehnt. Daraufhin hat dieser Klage vor dem Notarsenat des KG erhoben, der den Fall in richterlicher Unabhängigkeit entschieden hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des KG Berlin veröffentlicht.
  • Um direkt zum anonymisierten Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
KG Berlin PM vom 14.6.2012