14.03.2016

Berufungsgericht zur Begründung einer nachgeholten Zulassungsentscheidung nicht verpflichtet

Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, eine von ihm nachgeholte Zulassungsentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Begründung oder ist sie auf einzelne Aspekte beschränkt, lässt dies deshalb nicht den Schluss zu, das Berufungsgericht habe einen von § 511 Abs. 4 ZPO abweichenden Maßstab angelegt oder nicht alle Zulassungsgründe geprüft.

BGH 21.1.2016, V ZB 66/15
Der Sachverhalt:
Das AG wies die Klage auf Beseitigung eines auf dem Grund-stück des Klägers erfolgten Überbaus und die Herausgabe der überbauten Fläche ab. Den Streitwert setzte es auf 1.500 € fest. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers verwarf das LG durch Beschluss als unzulässig. Es ist der Ansicht, die für die Berufung erforderliche Beschwer sei nicht erreicht. Diese belaufe sich auf weniger als 600 €. Die Berufung sei auch nicht nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, weil die angefochtene Entscheidung nicht von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweiche.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit welcher er die Durchführung der Berufung erreichen möchte, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert, anders als die Rechtsbeschwerde meint, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.

Eine solche Entscheidung ist nicht deshalb geboten, weil das LG überzogene Anforderungen an die Darlegung der Beschwer gestellt und dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hätte. Die Beschwer des Klägers aus der Abweisung seiner Klage bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch den Überbau erleidet; dieser ist nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils zu bestimmen. Hiervon geht das LG zutreffend aus und verneint ermessensfehlerfrei eine über 600 € hinausgehende Beschwer des Klägers.

Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist auch nicht im Hinblick auf die nachgeholte Zulassungsentscheidung des LG erforderlich. Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung kann allerdings darin liegen, dass das LG die gebotene Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht nachholt und ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt. Die Entscheidung über die Zulassung muss nachgeholt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat, und das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält.

Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist allerdings nur festzustellen, ob das Berufungsgericht seiner gesetzlichen Pflicht zur Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung entsprochen, hierbei den Maßstab des § 511 Abs. 4 ZPO angelegt und alle maßgeblichen Zulassungsgründe geprüft hat. Ob die Entscheidung über die Zulassung der Berufung sachlich richtig ist, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren dagegen nicht zu prüfen.

Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung begründet, wird daher auch nicht geprüft, ob die Begründung richtig ist. Anders ist es nur, wenn diese zweifelsfrei erkennen lässt, dass das Berufungsgericht einen von § 511 Abs. 4 ZPO abweichenden Maßstab angelegt hat. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Berufungsgericht nicht verpflichtet ist, eine von ihm nachgeholte Zulassungsentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Begründung oder ist sie auf einzelne Aspekte beschränkt, lässt dies deshalb nicht den Schluss zu, das Berufungsgericht habe einen von § 511 Abs. 4 ZPO abweichenden Maßstab angelegt oder nicht alle Zulassungsgründe geprüft.

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