21.01.2016

Bestellung eines Notariatsverwalters gem. § 56 Abs. 4 BnotO ist verfassungsgemäß

Die Prozesserklärung einer anwaltlich vertretenen Partei kann allenfalls dann umgedeutet werden, wenn der zulässige Antrag noch innerhalb der dafür geltenden Rechtsmittelfrist gestellt wurde. Bei § 56 Abs. 4 BNotO handelt es sich um eine gesetzliche Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist.

BGH 23.11.2015, NotZ(Brfg) 3/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger war zunächst in Sachsen Notar, ab 2010 dann in Pforzheim. Im Zusammenhang mit einem durch den Präsidenten des LG Karlsruhe eingeleiteten Disziplinarfahren wurde er durch Verfügung des beklagten Justizministeriums im April 2014 vorläufig seines Amtes enthoben. Ihm war u.a. zur Last gelegt worden, in mehreren Fällen gegen Verwahrungsbestimmungen verstoßen zu haben. Darüber hinaus soll er sich in rund 1.900 Fällen der Gebührenüberhebung strafbar gemacht haben. Insoweit wurde er auch zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Mit Bescheid aus April 2014 bestellte das beklagte Ministerium die Beigeladene für die Dauer der vorläufigen Amtsenthebung zur Notariatsverwalterin für das Notarsamt des Klägers. Der Kläger begehrte die Aufhebung dieses Bescheides. Hilfsweise beantragte er die Abänderung des Bescheides mit dem Ziel, das beklagte Ministerium zu verpflichten, statt der Notariatsverwaltung eine auf seine Rechnung arbeitende Notariatsvertretung zu bestellen.

Die Klage blieb insgesamt erfolglos. Das OLG hielt die Ausübung des der Landesjustizverwaltung eingeräumten Ermessens, eine Notariatsverwalterin und nicht eine Notariatsvertreterin zu bestellen, für ermessensfehlerfrei. Dem früheren Verfahrensbevollmächtigten des Klägers war das Urteil des OLG vom 6.3.2015 am 22.4.2015 zugestellt worden. Mit einem am 22.5.2015 beim OLG eingegangenen Schriftsatz legte er dann namens des Klägers "Berufung" gegen das Urteil ein. Sein jetziger Verfahrensbevollmächtigter hat mit einem an den BGH adressierten, am 22.6.2015 eingegangenen Schriftsatz beantragt, die Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil zuzulassen und den Antrag näher begründet. Beide vom Kläger erhobenen Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe blieben erfolglos.

Gründe:
Die eingelegte Berufung war nicht statthaft. Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung war wegen Verfristung unzulässig.

Die Prozesserklärung einer anwaltlich vertretenen Partei kann allenfalls dann umgedeutet werden, wenn der zulässige Antrag noch innerhalb der dafür geltenden Rechtsmittelfrist gestellt wurde. Die Monatsfrist aus § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO i.V.m. § 111d BNotO endete bereits mit dem Ablauf des 22.5.2015. Der Zulassungsantrag ging erst am 22.6.2015 ein. Im Übrigen wäre ein zulässiger Antrag auf Zulassung der Berufung auch in der Sache ohne Erfolg geblieben.

Das OLG hat § 56 Abs. 4 BNotO zutreffend als gesetzliche Grundlage für die Bestellung der Beigeladenen als Notariatsverwalterin des Notarsamts des Klägers durch das beklagte Ministerium erachtet. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen auch im Hinblick auf den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Bei § 56 Abs. 4 BNotO handelt es sich um eine gesetzliche Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist. Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Allerdings muss das Gesetz so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind von Verfassungs wegen hinzunehmen.

Aus dem systematischen Verhältnis der Vorschrift zu § 39 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 BNotO ergibt sich unmissverständlich, dass bei vorläufiger Amtsenthebung eines Notars der Landesjustizverwaltung durch das Gesetz mehrere Handlungsoptionen eröffnet sind: die Bestellung eines Notarvertreters gem. § 39 Abs. 2 BNotO, die Bestellung eines Notarverwalters gem. § 56 Abs. 4 BNotO sowie gem. § 55 Abs. 1 BNotO die Aktenverwahrung durch das AG. Die Bestellung eines Notarverwalters knüpft § 56 Abs. 4 BNotO an die fehlende Zweckmäßigkeit der Notariatsvertretung. Dass der Begriff der Zweckmäßigkeit seinerseits auslegungs- und konkretisierungsbedürftig ist, führt nicht zur Unvereinbarkeit der Norm mit Art. 20 Abs. 3 GG.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück