01.12.2014

Betriebskosten: Mietvertragsparteien können einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Vermieters vereinbaren

Es steht den Mietvertragsparteien im Wohnraummietrecht frei, anstelle eines konkreten Umlageschlüssels ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen des Vermieters zu vereinbaren. Die Regelung in § 556a Abs. 1 S. 1 BGB ist insoweit abdingbar.

BGH 5.11.2014, VIII ZR 257/13
Der Sachverhalt:
Der Beklagte mietete ab Februar 2009 von der K-GmbH eine Wohnung. Neben der Miete ist von dem Beklagten gem. § 6 des Mietvertrags mtl. eine Betriebskostenvorauszahlung zu leisten und seitens der Vermieterin jährlich über die Betriebskosten abzurechnen. Mit der Abrechnung über die Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode sollte die Vermieterin gem. § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags den "Umlageschlüssel nach billigem Ermessen" festlegen. Die erste Betriebskostenabrechnung erfolgte im Juni 2010 für das Jahr 2009. Die damalige Vermieterin rechnete hinsichtlich der Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt ab.

Für das Jahr 2010 erstellte die Klägerin zu 1), eine Hausverwaltung, deren Geschäftsführer der (frühere) Kläger zu 2) ist, die Jahresabrechnung unter Verwendung des gleichen Umlageschlüssels und verlangte von dem Beklagten den sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrag i.H.v. rd. 530 €. Der Beklagte hielt dem Zahlungsbegehren entgegen, die genannten Kostenpositionen seien nach dem gesetzlichen Abrechnungsmaßstab gem. § 556a Abs. 1 BGB abzurechnen und forderte die Auszahlung eines hiernach zu seinen Gunsten errechneten Guthabens von rd. 260 €. Wegen des Nachzahlungsbetrags von 530 € leiteten beide Kläger das gerichtliche Mahnverfahren ein und machten anschließend die Forderung im streitigen Verfahren geltend. Der Beklagte verlangte widerklagend die Zahlung des von ihm errechneten Guthabens.

Das AG wies die Widerklage ab und verurteilte den Beklagten, "an die Klägerin 530 €" zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der (frühere) Kläger zu 2) ist im amtsgerichtlichen Urteil lediglich im Rubrum genannt, im Tatbestand einschließlich der Anträge zur Klage und Widerklage ist nur "die Klägerin" erwähnt. Der Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein und bezeichnete in der Berufungsschrift (nur) die Klägerin zu 1) als Berufungsbeklagte. In der Berufungsbegründung beantragte er, "das Urteil des AG aufzuheben und die Kläger zu verurteilen, an ihn 260 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit April 2011 zu zahlen." Im Rubrum dieses Schriftsatzes ist die Gegenseite mit "O. [= Klägerin zu 1] u.a." bezeichnet.

Das LG wies per Beschluss darauf hin, dass nach seiner Auffassung nur die Klägerin zu 1) als Rechtsnachfolgerin der K-GmbH als Vermieterin anzusehen und daher aktiv- und passivlegitimiert sei. Daraufhin führte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 23.5.2013 aus, dass Eigentümer und Vermieter der (frühere) Kläger zu 2) und die Klägerin zu 1) lediglich Objektverwalterin sei; gleichzeitig erklärte er für die Klägerin zu 1) die Rücknahme der Klage und bat um Rubrumsberichtigung auf Klägerseite. Der Beklagte stimmte der Klagerücknahme zu. Das LG wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG zurück; im Rubrum ist dabei lediglich die Klägerin zu 1) als Widerbeklagte und Berufungsbeklagte bezeichnet.

Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des LG unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit auf, als bzgl. der Klage zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Der BGH Entschied, dass das Urteil des AG bzgl. der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung an die Klägerin zu 1) sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgrund der Klagerücknahme der Klägerin zu 1) gegenstandslos ist.

Die Gründe:
Die Beurteilung des LG hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit das es den widerklagend geltend gemachten Anspruch des Beklagten verneint hat. Im Hinblick auf die Klage hat das Berufungsurteil hingegen keinen Bestand, weil das LG verkannt hat, dass die Klägerin zu 1) ihre Klage wirksam zurückgenommen hatte und das auf Zahlung an sie lautende Urteil des AG deshalb gegenstandslos geworden war.

Im Ergebnis zu Recht hat das LG angenommen, dass dem Beklagten das widerklagend von der Klägerin zu 1) geforderte Guthaben i.H.v. 260 €, das sich bei Anwendung des gesetzlichen Verteilungsmaßstabs für die Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll ergibt, nicht zusteht. Dabei kann offen bleiben, ob die unzutreffende Annahme des LG, die Klägerin zu 1) sei Vermieterin des Beklagten (und nicht nur Verwalterin), für das Revisionsverfahren ungeachtet des dem LG bei der Klagerücknahme unterlaufenen Verfahrensfehlers als bindende tatsächliche Feststellung (vgl. § 559 Abs. 2 ZPO) anzusehen wäre, so dass die Widerklage nicht schon an der fehlenden Passivlegitimation der Klägerin/Widerbeklagten scheiterte. Unabhängig davon besteht die vom Beklagten geltend gemachte Forderung auf Auskehrung eines Betriebskostenguthabens jedenfalls deshalb nicht, weil sich aus der - zutreffenden - Betriebskostenabrechnung schon keine Nachforderung ergibt.

Die erteilte Betriebskostenabrechnung ist im Hinblick auf den von dem gesetzlichen Abrechnungsmaßstab abweichenden Umlageschlüssel nicht zu beanstanden. Die Vermieterseite hat insoweit ihr in § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 wirksam für die zukünftigen Abrechnungen ausgeübt. Entgegen der Auffassung der Revision waren die dem Beklagten berechneten Betriebskosten nicht nach dem Anteil der Wohnfläche als dem gesetzlichen Umlageschlüssel gem. § 556a Abs. 1 S. 1 BGB abzurechnen. Zutreffend geht das LG davon aus, dass die Parteien mit der Regelung in § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags wirksam eine andere Regelung des Umlagemaßstabs i.S.v. § 556a Abs. 1 S. 1 BGB getroffen haben, indem sie der Vermieterin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt haben. Anders als die Revision meint, stehen weder der Wortlaut noch der Gesetzeszweck von § 556a Abs. 1 S. 1 BGB einer solchen Vereinbarung entgegen.

Dem Wortlaut von § 556a Abs. 1 S. 1 BGB sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrecht durch die Parteien unzulässig ist. Auch § 556a Abs. 3 BGB begrenzt die Vertragsfreiheit der Mietvertragsparteien nur in Bezug auf die in § 556a Abs. 2 BGB formulierten Voraussetzungen der gesetzlich zugelassenen einseitigen Änderung des Abrechnungsmaßstabs durch den Vermieter. Im Umkehrschluss ist § 556a Abs. 1 BGB in vollem Umfang abdingbar. Daher steht es den Mietparteien auch frei, anstelle eines konkreten Umlageschlüssels ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren. Dem steht auch nicht das Anliegen des Gesetzgebers entgegen, Streitigkeiten in den Fällen zu verhindern, in denen die Parteien keinen Verteilungsmaßstab vereinbart haben. Sofern die Parteien dem Vermieter durch eine entsprechende Vereinbarung das Recht vorbehalten, den Abrechnungsmaßstab einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen, nehmen sie das Risiko von Streitigkeiten über dessen Ausübung "sehenden Auges" in Kauf.

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