11.09.2017

BGH-Vorlage zur Bestimmung des zuständigen Gerichts auch bei Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen Senats desselben OLG

Das OLG hat eine Sache bei Bestimmung des zuständigen Gerichts auch dann dem BGH vorzulegen, wenn es von der Rechtsprechung eines anderen Senats desselben OLG abweichen will. Der ausschließliche dingliche Gerichtsstand ist nicht schon dann eröffnet, wenn der Kläger einen auf das Anfechtungsgesetz gestützten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Sache geltend macht.

BGH 15.8.2017, X ARZ 204/17
Der Sachverhalt:
Die Kläger nehmen mit ihrer vor dem LG Essen erhobenen Klage die beiden beklagten GbR mit Sitz in Essen auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsgesetz in zwei ihnen gehörende, im Landgerichtsbezirk Stralsund belegene Grundstücke in Anspruch.

Die Beklagten rügten in der Klageerwiderung die örtliche Zuständigkeit des LG Essen. Für die Klagen sei das LG Stralsund im ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand nach § 24 ZPO zuständig. Auf Antrag der Kläger erklärte sich daraufhin das LG Essen für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Stralsund. Dieses verneinte seine Zuständigkeit ebenfalls und ersuchte das OLG Hamm um Bestimmung des zuständigen Gerichts.

Der 32. Zivilsenat des OLG Hamm legte die Sache gem. § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH vor. Es sieht sich an der Bestimmung des seiner Ansicht nach örtlich zuständigen LG Essen durch die Entscheidung eines anderen Senats des OLG Hamm (Beschluss vom 28.3.2002, 27 W 7/02) gehindert.

Der BGH entschied nun, dass das LG Stralsund zuständig ist.

Die Gründe:
Die Vorlage ist zulässig.

Nach § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO hat ein OLG, wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will, die Sache dem BGH vorzulegen. Diese Voraussetzung ist gegeben. Die Regelung in § 36 Abs. 3 ZPO gilt auch für beabsichtigte Abweichungen von der Rechtsauffassung eines anderen Senats desselben OLG. Soweit § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO auf die Abweichung von einer Entscheidung "eines anderen" OLG abstellt, liegt darin nach der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrem Sinn und Zweck keine abschließende Regelung ihres Anwendungsbereichs.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Örtlich zuständig ist das LG Stralsund, weil der Verweisungsbeschluss des LG Essen entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend ist. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache zuerst verwiesen worden ist. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist der Verweisungsbeschluss des LG Essen nicht als willkürlich anzusehen. Die Bindungswirkung entfällt nicht deswegen, weil das LG Essen den Beklagten nicht die Gelegenheit gegeben hat, zu dem Verweisungsantrag der Kläger Stellung zu nehmen. Die Verweisung ist nicht deshalb als willkürlich anzusehen, weil das LG Essen nicht näher begründet hat, weshalb es sich der Auffassung des 27. Zivilsenats des OLG Hamm und nicht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und vor allem in der Fachliteratur verbreiteten Gegenposition angeschlossen hat.

Entgegen der Auffassung des LG Essen ist der Gerichtsstand des § 24 ZPO allerdings nicht schon dann eröffnet, wenn der Kläger einen auf das Anfechtungsgesetz gestützten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Sache geltend macht. Wie auch der 27. Zivilsenat des OLG Hamm nicht verkannt hat, wird die genannte Konstellation vom Wortlaut des § 24 Abs. 1 ZPO nicht erfasst. Dieser setzt voraus, dass das Eigentum, eine dingliche Belastung oder ein Besitzrecht geltend gemacht wird. Dass die Klage auf Übertragung des Eigentums oder auf Einräumung einer dinglichen Belastung gerichtet ist, reicht hingegen nicht aus. Ein Anspruch nach § 11 AnfG ist nicht auf eines der in § 24 Abs. 1 ZPO genannten Rechte gestützt, sondern auf einen der in §§ 3 ff. AnfG normierten Anfechtungstatbestände. Dass der Eigentümer mit der Klage verpflichtet werden soll, den Vollstreckungszugriff auf die Sache hinzunehmen, reicht für die Anwendung von § 24 Abs. 1 ZPO nicht aus. Die Anwendung von § 24 Abs. 1 ZPO ist i.Ü. auch nicht durch den Sinn und Zweck der Vorschrift geboten.

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