10.06.2011

Brandschäden durch überhitztes Fett auf dem Küchenherd lassen nicht zwangsläufig auf grobe Fahrlässigkeit schließen

Ein objektiv grober Pflichtenverstoß (hier: Brandschaden durch Erhitzung von Fett auf einem Küchenherd) rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Der Ausdruck "Augenblicksversagen" beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ.

BGH 10.5.2011, VI ZR 196/10
Der Sachverhalt:
Der Beklagte bewohnte eine Dachgeschosswohnung, in die er im Februar 2007 gegen 4:00 Uhr morgens zurückgekehrt war. Er wollte sich auf dem Küchenherd in einem Kochtopf mit Frittiereinsatz Kartoffelröllchen zubereiten und erhitzte dazu Fett. Als dieses geschmolzen und warm war, gab er die tiefgefrorenen Kartoffelröllchen hinein. Sodann verließ er die Küche und ging ins Wohnzimmer, um dort den Fernseher anzuschalten. Als er durch das Programm "zappte", erhitzte sich das Fett so stark, dass es sich entzündete. Der Brand ergriff die Küchenzeile und den Deckenbereich. Von dort breitete sich das Feuer auf den Dachstuhl aus und erfasste schließlich das gesamte Haus.

Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe verurteilt. Daraufhin nahm der Kläger, der Feuerversicherer des Hauseigentümers, den Beklagten aus gem. § 67 VVG a.F. übergegangenem Recht in Regress. Der Kläger hielt die Brandverursachung mit einem Schaden von 145.689 € für grob fahrlässig.

Die Klage blieb allerdings in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Regressanspruch wegen des verursachten Brandschadens.

Das Verhalten des Beklagten bei der Zubereitung der Kartoffelröllchen war zwar in objektiver Hinsicht grob fahrlässig. Es lag allerdings kein subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vor. Denn ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet.

Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, brandursächlich sei ein Augenblicksversagen, das in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse des Beklagten und der konkreten Umstände der Brandentstehung den Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht rechtfertige, war aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn der Ausdruck "Augenblicksversagen" beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ.

Der Beklagte wollte den Garzustand der Kartoffelröllchen nach Einschalten des Fernsehers wieder kontrollieren, war aber dann durch das "Zappen" vollständig abgelenkt. Seine Unaufmerksamkeit dauerte demnach nur kurze Zeit und war für ihn nicht vorhersehbar, als er die Küche verließ. Er war schließlich nicht, wie die Revision ausführt, zum Fernsehen in das Wohnzimmer gegangen, sondern vielmehr nur, um das Gerät einzuschalten und sodann in die Küche zurückzukehren. Außerdem war zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er wegen des späten Beginns seiner eigenen Haushaltsführung erst seit relativ kurzer Zeit eigene Erfahrungen mit der Essenszubereitung gesammelt hatte.

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