Brennbarkeit von Benzin "getestet" - Schadenregulierung nach einem Brandschadenereignis
OLG Hamm 4.4.2017, 9 U 120/15Der Versicherungsnehmer der klagenden Versicherung ist Eigentümer eines Gebäudekomplexes, in dem sich eine Kraftfahrzeugwerkstatt mit Hebebühnen befindet. Diese hatte der Versicherungsnehmer dem Beklagten zu 3) zur Nutzung überlassen. Letzterer wiederum vermietete die Kraftfahrzeugwerkstatt nebst Werkzeug und Hebebühnen an Kunden, die dort Fahrzeuge reparieren wollten.
Zwecks Reparatur eines Opel Corsa mietete der Beklagte zu 4) die Werkstatt Ende Januar 2013 an. Gemeinsam mit zwei Bekannten, den Beklagten zu 1) und zu 2), beabsichtigte der Beklagte zu 4) den Tank des Fahrzeugs auszutauschen. Dabei ließen die Beteiligten Benzin aus ca. 1,5 m Höhe aus dem auszubauenden Tank in einen offenen Eimer auslaufen, den ihnen der Beklagte zu 3) zur Verfügung gestellt hatte. Um das Ablassen des Benzins zu beschleunigen, schlug der Beklagte zu 4) zudem ein Loch in den Tank, das der Beklagte zu 1) noch vergrößerte.
Allerdings gelangte dadurch auch Benzin auf den Boden der Werkstatt und an die Hand des Beklagten zu 1). Um dessen Brennbarkeit zu "testen", zündete der Beklagte zu 2) die Hand des Beklagten zu 1) an, die dieser sodann auszuschlagen versuchte. Bei diesem Geschehen entzündete sich das auslaufende Benzin. Es entstand ein Werkstattbrand, durch den das gesamte Gebäude abbrannte. Die hierdurch entstandenen Schäden am Gebäude, weitere Schäden am Inventar, einem anderen Fahrzeug sowie Fahrzeugreifen anderer Eigentümer beziffert der Kläger mit insgesamt ca. 409.000 €, die er nach der Regulierung von den Beklagten ersetzt verlangt.
In einem gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) wegen fahrlässiger Brandstiftung geführten Strafverfahren sind die Beklagten vom AG - Schöffengericht - im Dezember 2013 mangels Nachweises des Tatvorwurfs aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Im vorliegenden Zivilprozess hat das LG unter Auswertung der Akten des Strafprozesses und nach der Vernehmung von Zeugen die Schadensersatzpflicht aller vier Beklagten festgestellt und der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
Die Gründe:
Die aus gem. § 86 VVG übergegangenem Recht geltend gemachten Ersatzansprüche sind zu bejahen und ergeben sich gegenüber allen Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums der im angefochtenen Urteil genannten Versicherungsnehmer der klagenden Versicherung. Gegenüber dem Beklagten zu 3) folgt die Ersatzpflicht zudem aus §§ 275 Abs. 1 u. 4, 280, 283 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Alle Beklagten hatten den Brand grob fahrlässig verursacht. Denn bereits das Ablassen des Benzins aus dem auszutauschenden Tank des Opel Corsa in einen offenen Eimer stellte eine grob fahrlässige Schadensverursachung durch die Beklagten dar. Für die Beklagten zu 1), 2) und 4) bereits deswegen, weil sie am Ablassvorgang selbst beteiligt gewesen waren. Der Beklagte zu 3) hatte ihnen hierfür die Eimer zur Verfügung gestellt und ist gegen das erkennbar unsachgemäße Vorgehen nicht eingeschritten.
Das Ablassen des Benzins in offene Eimer ist grob unsachgemäß und widerspricht jeglichen Sicherheitsvorschriften. Das gilt auch für Benzin, das auf den Boden gelangt und nicht sofort beseitigt wird. Der Kraftstoff setzt nämlich Benzindämpfe frei und führt zu einer explosionsfähigen Atmosphäre, bei der schon ein Funke zu einem Brand führen kann. Bereits die durch das Benzinablassen begründete Gefahrenlage hat sich somit in dem späteren Brand realisiert. Wenn in dieser Situation im Nahbereich noch mit einer offenen Flamme hantiert und eine angezündete Hand dann heruntergeschlagen wird, ist das als extrem gefährlich einzuschätzen. Das gilt auch für die beteiligten Personen. Dass im vorliegenden Fall nur Sach- und kein Personenschaden entstanden sind, war großes Glück.
Konkret wurde der Brand laut Beweisaufnahme durch das einvernehmliche "Zündeln" der Beklagten zu 1) und 2) ausgelöst. Von der heruntergeschlagenen, angezündeten Hand war eine Feuerperle auf den spritbedeckten Boden gefallen, der dadurch in Brand geraten ist. Durch dieses "Zündeln" wurde der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang der Tatbeiträge der Beklagten zu 3) und 4) auch nicht unterbrochen. Zwar ist das "Zündeln" als solches als eher ungewöhnlich anzusehen, und die Beklagten zu 3) und 4) mussten mit einem solchen Verhalten kaum rechnen. Allerdings hatten sie - und das steht einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs entgegen - das unsachgemäße Ablassen des Benzins maßgeblich mit zu verantworten und hierdurch eine gesteigerte Gefahrenlage geschaffen, die sich dann auch im Schaden ausgewirkt hat.
Linkhinweis:
- Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de-Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.