08.11.2011

Die Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz

Nachdem in Folge des Ankaufs eines Datenträgers aus dem Ausland im Kalenderjahr 2010 eine Flutwelle von Selbstanzeigen zu verzeichnen war und der BGH mit seinem obiter dictum im Beschluss vom 20.5.2010 die Unwirksamkeit der sogenannten Teilselbstanzeige angenommen hat, hat der Gesetzgeber mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz die Selbstanzeige reformiert.

Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz beinhaltet die nachfolgend angeführten Einschränkungen bei der Selbstanzeige: 

Der Gesetzgeber hat die Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen per Gesetz ausgeschlossen. Steuerhinterzieher, die sich bisher nur "scheibchenweise" je nach Stand der Ermittlungen besonnen haben, werden künftig nicht mehr mit Straffreiheit belohnt. Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber die Rechtslage jedoch über die strengen Vorgaben des BGH im Beschluss vom 20.5.2010 hinaus verschärft. Eine Selbstanzeige hat nur noch strafbefreiende Wirkung, wenn der Täter sämtliche noch verfolgbaren Steuerstraftaten für alle Steuerarten vollständig offenbart. Diese erhebliche Ausweitung des Vollständigkeitsgebots geht über die Vorstellungen des BGH hinaus.

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Müller
Die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren
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2012, rd. 350 S., Lexikonformat, broschiert,
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erscheint Dezember 2011

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Außerdem wurde in § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO der Zeitpunkt vorverlegt, ab dem eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist. Reichte es bislang, dass sich der Steuersünder bis zum Beginn der steuerlichen Prüfung des Finanzbeamten beim Finanzamt selbst anzeigte, ist künftig die Selbstanzeige nur noch mit strafbefreiender Wirkung möglich, wenn diese vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO gegenüber dem Täter oder seinem Vertreter erfolgt.

Der Prüfungsanordnung kommt damit in der Zukunft eine größere Bedeutung zu als bisher. Insbesondere ist die Frage der Nichtigkeit der Prüfungsanordnung verstärkt zu prüfen. Eine nichtige Prüfungsanordnung führt nicht zum Ausschluss der Selbstanzeige. Nach § 125 Abs. 1 AO ist die Prüfungsanordnung nach § 196 AO nichtig, soweit sie an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht  kommenden Umstände offenkundig ist. Ein schwerwiegender Mangel ist gegeben, wenn die Prüfungsanordnung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist. Die Prüfungsanordnung muss in Bezug auf den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung dem Steuerpflichtigen erkennen lassen, was von ihm verlangt wird. Fehlt es z.B. am Bekanntgabewillen oder am Zugang der Prüfungsanordnung beim Täter bzw. seinem Vertreter, ist die Selbstanzeige nicht gesperrt. Außerdem muss nach § 119 Abs. 3 AO die Prüfungsanordnung die erlassende Behörde erkennen lassen, andernfalls ist die Prüfungsanordnung nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig.

Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes wird der gesetzliche Regelfall des persönlichen Erscheinens eines Amtsträgers zur Prüfung zur Ausnahme für die Fälle, in denen für die Prüfung eine Prüfungsanordnung nicht erforderlich ist, also z.B. für die Fälle der Umsatzsteuernachschau nach § 27b UStG und der betriebsnahen Veranlagung.

Mit Abschluss der Außenprüfung lebt die Selbstanzeige bezüglich nicht aufgedeckter Taten wieder auf. Die Sperrwirkung endet, sobald die berichtigten Steuerbescheide aus der Prüfung abgesandt oder die Prüfungsanordnung ergebnislos zu den Akten gelegt worden ist.

Der neu eingefügte Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO sperrt eine Selbstanzeige, wenn der Hinterziehungsbetrag pro Tat EUR 50.000 übersteigt. Der Betrag in Höhe von EUR 50.000 muss als "Freigrenze" und nicht als "Freibetrag" verstanden werden. Wird der Betrag von EUR 50.000 überschritten, unterfällt die gesamte Steuerstraftat der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO.
 
Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber erstmals eine Betragsgrenze festlegt, bis zu welchem Hinterziehungsbetrag je Tat Straffreiheit eintritt. Bei der Festlegung der Betragshöhe orientierte sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung an der Rechtsprechung des BGH zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung im großen Ausmaß vom 2.12.2008. Dabei hat der Gesetzgeber übersehen, dass der BGH in seinem Urteil vom 2.12.2008 bei der Bestimmung des großen Ausmaßes zwischen tatsächlich entstandenen Steuerschäden (Grenze bei EUR 50.000) und bloßen Gefährdungsschäden (Grenze bei EUR 100.000) unterschieden hat.

Nach dem neu eingefügten § 398a AO wird in dem vorgenannten Fall von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nicht nur die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet, sondern darüber hinaus einen Geldbetrag in Höhe von 5 v.H. der hinterzogenen Steuer zu Gunsten der Staatskasse zahlt. Der Zuschlag ist nur auf die einzelne Tat im materiellen Sinn zu erheben, die die Freigrenze von EUR 50.000 überschreitet, nicht auch auf die anderen Taten.

Mit der Einführung der Zuschlagszahlung gewinnt die Abgrenzung zwischen einer Selbstanzeige nach § 371 AO und der Berichtigungserklärung nach § 153 AO an Bedeutung.

Im Übrigen bleiben die Ausschlusstatbestände der  Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1b AO), des Erscheinens eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO) und der Entdeckung der Tat (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) erhalten.

Quelle:
J.R. Müller, infoline 3/2011, S. 57f.
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