07.04.2016

Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ist ausnahmsweise erlaubnisfähig

Zwar kann das BfArM gem. § 3 Abs. 2 BtMG eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Es muss einem Schwerkranken aber eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau erteilen, wenn das Betäubungsmittel für seine medizinische Versorgung notwendig ist und ihm keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht.

BVerwG 6.4.2016, 3 C 10.14
Der Sachverhalt:
Der 52-jährige Kläger leidet seit 1985 an Multipler Sklerose. Die Symptome seiner Erkrankung behandelt er seit etwa 1987 durch die regelmäßige Einnahme von Cannabis. Vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes und Anbaus von Betäubungsmitteln wurde er zuletzt im Januar 2005 freigesprochen. Das Strafgericht sah sein Handeln als gerechtfertigt an, weil ihm keine Therapiealternative zur Verfügung stehe.

Im Mai 2000 hatte der Kläger beim BfArM einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Anbau von Cannabis zur medizinischen Selbstversorgung. Diesen Antrag lehnte die Behörde allerdings mit Bescheid vom 6.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010 ab.

Das VG hob die Bescheide auf und verpflichtete die Beklagte, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die weitergehende Klage wies es zurück. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten vor dem OVG blieben erfolglos. Auf die Revision des Klägers änderte das BVerwG die Urteile der Vorinstanzen und verpflichtet die Beklagte, dem Kläger die beantragte Erlaubnis zu erteilen.

Die Gründe:
Die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis ist wegen der von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen "auf Null" reduziert ist. Davon unberührt bleibt die Befugnis des BfArM, die Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen.

Zwar kann das BfArM gem. § 3 Abs. 2 BtMG eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Die Behandlung des schwer kranken Klägers mit selbst angebautem Cannabis liegt hier allerdings ausnahmsweise im öffentlichen Interesse. Schließlich führt die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung seiner Beschwerden und ihm steht gegenwärtig kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung.

Der (ebenfalls erlaubnispflichtige) Erwerb von sog. Medizinalhanf aus der Apotheke als Therapiealternative scheidet aus Kostengründen aus. Die Krankenkasse des Klägers hatte in der Vergangenheit eine Kostenübernahme wiederholt abgelehnt. Eine Eigenfinanzierung ist ihm mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht möglich. Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, wegen der Kostenübernahme durch die Krankenkasse erneut den sozialgerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Eine solche Klage ist ihm nämlich unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar.

Der Erlaubniserteilung stehen auch keine Versagungsgründe nach § 5 BtMG entgegen. Die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs ist hinreichend gewährleistet. Mit den vom Kläger vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen in seiner Wohnung sind die Betäubungsmittel ausreichend gegen eine unbefugte Entnahme geschützt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung durch ihn selbst.

Letztlich verfügt der Kläger aufgrund der jahrelangen Eigentherapie inzwischen über umfassende Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung der von ihm angebauten Cannabissorte. Außerdem stehen der Anbau und die Therapie unter ärztlicher Kontrolle. Die Erlaubnis ist auch nicht mit Rücksicht auf das internationale Suchtstoffübereinkommen von 1961 zu versagen.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie den Volltext der Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 26 vom 6.4.2016
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