05.06.2018

Eigenes Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes während des Bestehens einer atypisch stillen Gesellschaft

Der Inhaber des Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, verfügt auch während des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft ertragsteuerlich über ein eigenes Vermögen, das neben dem Betriebsvermögen besteht, das ertragsteuerlich der atypisch stillen Gesellschaft als mitunternehmerisches Vermögen zugerechnet wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.3. 2018 - IV R 38/15

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 2
UmwStG § 24
HGB § 230

Streitig war die Gewinnwirksamkeit eines bei Aufnahme eines Gesellschafters in eine GmbH & atypisch still gezahlten sog. "Agios".

Begründet der Inhaber eines Handelsgewerbes an seinem gesamten Betrieb eine stille Gesellschaft und ist die Gesellschaft ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen, weil der stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt, entsteht eine atypisch stille Gesellschaft als eigenständige Mitunternehmerschaft. Deren Mitunternehmer sind der Inhaber des Handelsgewerbes und der oder   wenn sich mehrere am gesamten Handelsgewerbe des Inhabers atypisch still beteiligen    die (atypisch) still Beteiligten. Für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft wird das Unternehmen des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich dieser Mitunternehmerschaft zugeordnet. Das Betriebsvermögen des Inhabers des Handelsgewerbes wird dadurch mitunternehmerisches Vermögen, welches vom Inhaber des Handelsgewerbes im eigenen Namen, aber für Rechnung der Mitunternehmerschaft verwaltet wird. Demgemäß steht auch der erwirtschaftete Gewinn der Mitunternehmerschaft zu und wird auf die Mitunternehmer, also den Inhaber des Handelsgewerbes und den bzw. die stillen Gesellschafter, nach den Abreden im Gesellschaftsvertrag über die stille Gesellschaft verteilt. Die Entstehung einer atypisch stillen Gesellschaft ist ertragsteuerlich also insoweit wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 UmwStG zu würdigen. Im Ergebnis wird die atypisch stille Gesellschaft für steuerliche Zwecke wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Inhaber des Handelsgewerbes für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft ertragsteuerlich über kein eigenes Vermögen mehr verfügt. Der Umstand, dass die Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft ertragsteuerlich wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft i.S. des § 24 UmwStG zu würdigen ist, führt vielmehr dazu, dass der Inhaber des Handelsgewerbes nunmehr vergleichbar dem persönlich haftenden Gesellschafter einer KG als Mitunternehmer an der atypisch stillen Gesellschaft beteiligt ist. Ihm sind ertragsteuerlich die dem Betriebsvermögen der atypisch stillen Gesellschaft zuzurechnenden Wirtschaftsgüter entsprechend seinem Anteil zuzurechnen. Er erzielt aus der mitunternehmerischen Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Dies setzt ein eigenes, von dem der atypisch stillen Gesellschaft zu trennendes Vermögen voraus.

Ist Inhaber des Handelsgewerbes, wie im Streitfall, eine GmbH, so handelt es sich bei dem eigenen Vermögen um Betriebsvermögen. Denn eine Kapitalgesellschaft verfügt mangels außerbetrieblicher Sphäre nicht über Privatvermögen. Auch wenn zivilrechtlich nur ein einziges Gesellschaftsvermögen des Inhabers des Handelsgewerbes besteht, in das der (atypisch) still Beteiligte nach § 230 HGB seine Einlage leisten muss, ist ertragsteuerlich für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft demnach von einem mitunternehmerischen Betriebsvermögen der atypisch stillen Gesellschaft und einem davon zu unterscheidenden eigenen Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes auszugehen.

Im Streitfall hatte eine Gesellschafterin einen Teil ihres Mitunternehmeranteils an der atypisch stillen Gesellschaft im Nennbetrag von 12.000 € an einen Dritten veräußert, der im Gegenzug den dafür zu entrichtenden Kaufpreis (das "Agio") in das eigene Betriebsvermögen der veräußernden Gesellschafterin und nicht in das für die Dauer ihres Bestehens ertragsteuerlich der atypisch stillen Gesellschaft zuzurechnende, als deren mitunternehmerisches Vermögen zu behandelnde Betriebsvermögen gezahlt hatte. Da lediglich ein Anteil eines Mitunternehmeranteils im Nennbetrag von 12.000 € veräußert wurde, entstand daraus nach § 16 Abs. 2 EStG ein (nicht tarifbegünstigter) Veräußerungsgewinn.

Zum gleichen Ergebnis würde man kommen, wenn man davon ausgeht, dass eine neue (zweite) atypisch stille Gesellschaft begründet wurde, in die die Mitunternehmeranteile an der alten atypisch stillen Gesellschaft eingebracht wurden. Denn eine steuerneutrale Buchwerteinbringung in entsprechender Anwendung von § 24 UmwStG kommt nur insoweit in Betracht, als die Mitunternehmer ihre Mitunternehmeranteile für eigene Rechnung einbringen. Soweit die Einbringung für fremde Rechnung erfolgt, entsteht dagegen ein Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1 EStG.

Die Tatbestände der Veräußerung i.S. des § 16 EStG und der Einbringung von Betriebsvermögen können miteinander verbunden sein. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein neuer Gesellschafter gegen (Zu )Zahlung eines Entgelts an die Altgesellschafter in eine Personengesellschaft eintritt. Einbringende sind in diesem Fall die Altgesellschafter, welche die (ideellen) Anteile ihres Betriebsvermögens (ihre Mitunternehmeranteile) in die erweiterte Personengesellschaft einbringen. Hat der Neugesellschafter hierfür ein Entgelt an die Altgesellschafter zu entrichten, erfolgt die Einbringung insoweit auf fremde Rechnung, d.h. auf Rechnung des Neugesellschafters, und nur im Übrigen auf eigene Rechnung. Soweit die Einbringung auf fremde Rechnung erfolgt, ist § 24 UmwStG nicht anwendbar. Denn diese Vorschrift erfasst nur die für eigene Rechnung des Einbringenden vollzogene Einbringung des Betriebsvermögens, d.h. der Einbringende muss durch die Einbringung selbst die Rechtsstellung eines Gesellschafters und Mitunternehmers der (erweiterten) Personengesellschaft erlangen.

Im Streitfall wäre eine Buchwerteinbringung nach § 24 UmwStG daher nur insoweit möglich, als die "Altgesellschafter" ihre Mitunternehmeranteile in die atypisch stille Gesellschaft für eigene Rechnung gegen Erwerb mitunternehmerschaftlicher Rechte an der neuen Mitunternehmerschaft eingebracht hätten. Diese Voraussetzung wäre jedoch hinsichtlich der erhaltenen Gegenleistung in Form des Agios nicht erfüllt, da insoweit keine mitunternehmerischen Rechte eingeräumt, sondern ein Teil - Mitunternehmeranteil veräußert wurde, der zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führte.

BFH, Urteil vom 1.3.2018, IV R 38/15, veröffentlicht am 4.6.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt