09.08.2011

Ein laufendes Disziplinarverfahren gegen einen zwischenzeitlich aus dem Amt ausgeschiedenen Notar muss eingestellt werden

Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zulassungsantrag und nicht danach, ob das erstinstanzliche Gericht angesichts der aufgrund im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage richtig entschieden hat. Ist ein Notar aus seinem Amt ausgeschieden, muss ein gegen ihn laufendes und noch nicht rechtskräftig abgeschlossenes Disziplinarverfahren eingestellt werden.

BGH 18.7.2011, NotSt (Brfg) 1/11
Der Sachverhalt:
Der im Januar 1941 geborene Kläger war seit dem Jahr 1981 als Notar und Rechtsanwalt tätig. Am 17.4.2007 verhängte der Präsident des LG gegen ihn durch Disziplinarverfügung eine Geldbuße i.H.v. 3.000 €. Der Disziplinarverfügung liegen Vorfälle aus den Jahren 2001 bis 2003 zugrunde.

Die gegen die Disziplinarverfügung gerichtete Beschwerde wies der Beklagte durch Verfügung vom 22.12.2009 zurück. Dagegen stellte der Kläger am 25.1.2010 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Im Schreiben vom 11.10.2010 beschränkte der Kläger seinen Angriff ausdrücklich auf die Höhe des festgesetzten "Ordnungsgeldes".

Das OLG wies die Klage ab. Es ließ die Berufung nicht zu. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung, mit der er die Aufhebung des Urteils des OLG und der Disziplinarverfügung erreichen möchte. Er stützt den Antrag auf § 111d BNotO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO. Nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags schied der Kläger mit Ablauf des 31.1.2011 wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Amt des Notars aus. Der BGH ließ die Berufung gegen das Urteil des OLG zu.

Die Gründe:
Das die Klage auf Aufhebung der Disziplinarverfügung des Präsidenten des LG vom 17.4.2007 abweisende Urteil des OLG stellt sich aufgrund des altersbedingten Ausscheidens des Klägers aus dem Amt des Notars mittlerweile als unrichtig dar. Diese Tatsache hat der Senat bei der Entscheidung über den Zulassungsantrag zu berücksichtigen. Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zulassungsantrag und nicht danach, ob das erstinstanzliche Gericht angesichts der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung richtig entschieden hat.

Im Streitfall begegnet das Urteil des OLG ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit, nachdem der Kläger mit Ablauf des 31.1.2011 gem. § 47 Nr. 1, § 48a BNotO aus dem Amt des Notars ausgeschieden ist und mithin nicht mehr dem persönlichen Geltungsbereich der disziplinarrechtlichen Bestimmungen der BNotO unterfällt. Hat er den entsprechenden Status nicht mehr inne, fehlt die Voraussetzung zur Fortsetzung des Disziplinarverfahrens, so dass dieses zwingend eingestellt werden muss, solange nicht Rechtskraft eingetreten ist. Es ist ein absolutes Verfahrenshindernis eingetreten (§ 96 Abs. 1 S. 1 BNotO, § 32 Abs. 2 Nr. 2 BDG analog).

Daran ändert nichts, dass die Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung bereits am Montag, dem 24.1.2011, abgelaufen ist, nachdem das Urteil des OLG am 22.11. zugestellt worden ist. Das Ende der Begründungsfrist legt nicht den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt fest. Offenkundige Umstände, aus denen sich die offensichtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt, sind auch ohne ausdrücklichen Vortrag des Klägers zu berücksichtigen, sofern der Antrag auf Zulassung der Berufung überhaupt in zulässiger Weise auf einen Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO gestützt worden ist. Der Antrag des Klägers stützt sich in noch zulässiger Weise auf den Grund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn auch der Antrag in der Sache nur auf der Grundlage der Darlegungen in der Begründungsschrift erfolglos geblieben wäre.

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