30.08.2013

Eltern können zur Unterstützung des Schulbesuchs ihres Kindes verpflichtet werden

Ein Jugendamt darf eingreifen, wenn ein elfjähriger Junge nicht zur Schule geht und die Eltern die Schulunlust ihres Kindes akzeptieren. Die Eltern können zur Unterstützung eines Schulbesuchs ihres Kindes verpflichtet werden.

OLG Hamm 12.6.2013, 8 UF 75/12
Der Sachverhalt:
Der heute elfjährige Junge wohnt bei seinen 49 und 51 Jahre alten Eltern, den Antragsgegnern, im Kreis Warendorf. Er ist das jüngste Kind der Familie und wurde im Alter von sieben Jahren eingeschult. Bereits im ersten Schuljahr fehlte der Junge an über 40 Tagen in der örtlichen Grundschule, von der ihn die Eltern im Jahre 2010 abmeldeten. In den nächsten Jahren besuchte er zwei weitere Grundschulen, an denen er nur wenige Tage blieb. Ein im Jahre 2012 unternommener Versuch, das Kind durch Lehrkräfte zu Hause zu beschulen, um eine Wiedereingliederung in eine Schule vorzubereiten, scheiterte.

Der Junge wird zurzeit durch seine Mutter, von Beruf Informatikerin, unterrichtet und verfügt über einen altersgerechten Wissenstand. In der Vergangenheit lehnten es die Eltern ab, den Jungen gegen seinen Willen auf eine öffentliche Schule zu schicken. Im Hinblick auf die Schulpflichtverletzung reichtete das Jugendamt des Kreises Warendorf unter dem 25.10.2011 eine Anzeige gem. § 8a Abs. 3 SGB VIII wegen Kindeswohlgefährdung an das AG.

Im Rahmen des aufgrund dieser Anzeige eingeleiteten Verfahrens entzog das AG - Familiengericht - den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten für das betroffene Kind und übertrug dies auf den Kreis Warendorf. Gleichzeitig wurde den Eltern aufgegeben, das Kind an den Kreis Warendorf herauszugeben, und der Gerichtsvollzieher ermächtigt, die Herausgabe des Kindes notfalls zu erzwingen. Gegen diesen Beschluss wendeten sich sowohl die Antragsgegner als auch der Sohn mit ihren Beschwerden.

Das OLG entzog den Eltern nun das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten und übertrug dieses dem zuständigen Jugendamt. Es wurde davon abgesehen, das Kind aus dem elterlichen Haushalt herauszunehmen; stattdessen wurden die Eltern verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Junge der Schulpflicht nachkommt und ihn zum Schulbesuch zu motivieren. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Gem. § 1666 Abs. 1 BGB waren den Kindeseltern Teilbereiche der elterlichen Sorge zu entziehen.

Das geistige und seelische Wohl des Kindes ist trotz des altersgerechten Wissensstandes gefährdet. Im Hinblick auf die Weigerung des Kindes, zur Schule zu gehen, haben die Eltern in der Erziehung versagt. Das bestätigt das Gutachten des im Verfahren gehörten Sachverständigen. Zurzeit setzen die Eltern dem Kind keine Grenzen und Regeln, Pflichten sind dem Jungen unbekannt. Da die Eltern die Schulpflicht des Kindes nicht akzeptieren und es in seiner Schulunlust fördern, werden dem Jungen die Bildungsinhalte einer weiterführenden Schule vorenthalten.

Die Mutter wird trotz ihrer Ausbildung nicht in der Lage sein, sämtliche Lerninhalte einer weiterführenden Schule adäquat zu vermitteln. Ein Schulbesuch soll Kindern zudem auch die Gelegenheit verschaffen, in das Gemeinschaftsleben hineinzuwachsen. Soziale Kompetenzen können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit einem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind.

Der in der Familie gut integrierte Junge kann zumindest vorerst im familiären Umfeld bleiben, deswegen ist den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind zu belassen. Zu entziehen ist ihnen aber das Recht zur Regelung seiner schulischen Angelegenheiten, weil sie nicht Willens und in der Lage sind, die Schulpflicht durchzusetzen. Mit den erteilten Auflagen werden die Eltern angehalten, die Schulverweigerungshaltung des Jungen aufzulösen.

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OLG Hamm PM vom 26.8.2013
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