16.05.2012

Fall Ingo Steuer: Trainingsverbot war rechtswidrig

Dadurch, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht dulden wollte, dass der Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer Sportsoldaten trainiert, griff sie rechtswidrig in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der eigentumsähnlichen Schutz genießt, ein. Für das sportliche Training der Sportsoldaten ist nicht die Bundeswehr federführend, sondern die Deutsche Eislauf-Union und der Deutsche Olympische Sportbund.

BGH 15.5.2012, VI ZR 117/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer. Dieser verlangte von der beklagten Bundesrepublik Deutschland, ihn als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe, Disziplin Paarlauf, zu dulden, sofern Sportsoldaten ihn als Trainer haben oder wählen, er vom Spitzenverband, der Deutschen Eislauf-Union, beauftragt ist und der Deutsche Olympische Sportbund seine Tätigkeit befürwortet. Er trainiert seit mehreren Jahren Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, die zwischen 2004 und 2011 zahlreiche nationale und internationale Erfolge im Eiskunstpaarlauf erzielten.

Der Kläger war früher Sportsoldat, wurde aber aus dem Soldatenverhältnis entlassen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er bei seiner Einstellung Fragen nach einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR wahrheitswidrig unzutreffend beantwortet hatte. Robin Szolkowy darf nicht mehr Sportsoldat sein, weil er an dem Kläger als Trainer festhält. Die Beklagte wollte nicht dulden, dass Sportler, die von dem Kläger trainiert werden, Sportsoldaten sind. Darin sah der Kläger eine Beeinträchtigung seiner Tätigkeit als freiberuflicher Trainer.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die dagegen eingelegte Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger darf auch Sportsoldaten trainieren.

Dadurch, dass die Beklagte nicht dulden wollte, dass der Kläger Sportsoldaten trainiert, griff sie in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der eigentumsähnlichen Schutz genießt, ein. Dieser Eingriff war auch rechtswidrig. Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit kommt es jeweils auf eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und denen der Beklagten an.

Der Kläger beanstandete nicht die gegen ihn ergriffenen dienstrechtlichen Maßnahmen. Er beanstandete lediglich, dass die Beklagte eine Tätigkeit verhinderte, die lediglich das sportliche Training der Sportsoldaten betraf, für das allerdings nicht die Bundeswehr, sondern die Deutsche Eislauf-Union und der Deutsche Olympische Sportbund federführend sind. Vor diesem Hintergrund überwogen somit die Interessen des Klägers.

Insoweit war insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: Die Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und auch die Falschangaben anlässlich seiner Beschäftigung als Sportsoldat lagen viele Jahre zurück. Der Kläger wurde in das System der Stasi in jungen Jahren verstrickt. Dass er nennenswerten Schaden angerichtet hätte, wurde nicht vorgetragen. Nach der Wiedervereinigung war er für treue Dienste und überdurchschnittliche Leistungen mehrfach ausgezeichnet worden.

Die für den Eislaufsport zuständigen deutschen Spitzenverbände haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Einwände mehr dagegen, dass der Kläger Spitzensportler trainiert. Unter diesen Umständen war die Beklagte nicht befugt, ihren Sportsoldaten ein Training bei dem Kläger zu verbieten. Eine nennenswerte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr dadurch, dass der Kläger als freier Trainer Sportsoldaten trainiert, war nicht ersichtlich. Andererseits würden die Interessen des Klägers ganz erheblich beeinträchtigt, weil Spitzensportler im Bereich des Eiskunstpaarlaufs nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nahezu ausschließlich Sportsoldaten sind.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 67 vom 15.5.2012
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