20.01.2012

Falsche Diagnose beim Pferdekauf: Käufer darf zunächst den Tierarzt in Anspruch nehmen

Haftet der wegen eines Fehlers bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes zum Schadensersatz verpflichtete Tierarzt neben dem Verkäufer als Gesamtschuldner, ist der Käufer grundsätzlich nicht verpflichtet, zur Schadensminderung zunächst seine Ansprüche gegen den Verkäufer gerichtlich geltend zu machen. Dem Gläubiger steht es frei, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt, solange er nicht jede Rücksichtnahme vermissen lässt.

BGH 22.12.2011, VII ZR 136/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb im September 2008 für 2.000 € eine Stute. Zuvor hatte der Beklagte in ihrem Auftrag eine Ankaufsuntersuchung durchgeführt, bei der er allerdings eine Lahmheit des Pferdes nicht feststellte, die im Nachhinein zwei weitere Tierärzte bestätigten.

Die Klägerin leitete zunächst ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Verkäuferin ein, machte aber anschließend gegen diese keine Gewährleistungsansprüche geltend. Sie behauptete, der Beklagte habe die bereits zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung vorliegenden gesundheitlichen Probleme des Pferdes nicht erkannt. Er habe sie daher so zu stellen, als hätte sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Urteile auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte rechtsfehlerhaft einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verneint.

Zu Unrecht ging das OLG davon aus, dass der Beklagte der Klägerin deshalb nicht zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil die eventuelle Haftung des Tierarztes gegenüber der Kaufgewährleistungshaftung der Verkäuferin nachrangig sei und eine gesamtschuldnerische Haftung beider daher nicht in Betracht komme. Das war schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Beklagte der Klägerin auch dann auf Schadensersatz haften würde, wenn eine Gesamtschuld nicht vorläge. In diesem Fall würde sich allenfalls die Frage stellen, ob der Beklagte gem. § 255 BGB die Abtretung der Ansprüche gegen den Verkäufer verlangen könnte.

Im Übrigen ging das Berufungsgericht auch rechtsirrtümlich davon aus, dass zwischen dem Beklagten und der Verkäuferin keine Gesamtschuld besteht. Die Verpflichtungen der Verkäuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und des beklagten Tierarztes auf Ersatz des der Klägerin infolge des Abschlusses des Kaufvertrags entstandenen Vermögensschadens standen gleichstufig nebeneinander. Dies ergab sich daraus, dass sowohl die Verkäuferin als auch der Beklagte für den infolge der Kaufpreiszahlung entstandenen Vermögensnachteil aufzukommen hatten und auch die Kosten für den Unterhalt des Pferdes mit einer Geldzahlung ersetzen mussten, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär oder vorläufig für die andere Verpflichtung einstehen musste.

Letztlich steht es dem Gläubiger frei, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt, solange er nicht jede Rücksichtnahme vermissen lässt. Dies wäre etwa der Fall gewesen, wenn die Rückabwicklung der einfachere und jedenfalls nicht aufwändigere Weg der Schadloshaltung gewesen wäre. Dies war hier allerdings nicht gegeben. Denn die Verkäuferin war nicht bereit, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes den Kaufpreis zurückzuzahlen. Unerheblich war dabei der Umstand, dass die Klägerin gegen die Verkäuferin zuvor ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet hatte.

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