16.04.2013

Gewerbliches Mietrecht: Kündigung des Insolvenzverwalters gilt auch für Mitmieter

In Fällen, in denen bei einem gewerblichen Mietverhältnis über das Vermögen eines Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet wird, beendet die Kündigung des Insolvenzverwalters den Mietvertrag auch mit Wirkung für die Mitmieter. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses sowie der Unteilbarkeit der Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung.

BGH 13.3.2013, XII ZR 34/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Januar 2000 mit Dr. R. einen Mietvertrag über gewerblich genutzte Räume abgeschlossen. Ab Juli 2002 trat der Beklagte als weiterer Mieter ein. Nachdem im Februar 2009 über das Vermögen des Dr. R das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte der zum Insolvenzverwalter bestellte Streithelfer Ende April 2009 unter Berufung auf § 109 InsO zum 31.7.2009 das Mietverhältnis.

Im September 2009 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch mache. Ende Oktober 2009 verschaffte er sich dann Zutritt zu den Räumlichkeiten und verwertete die darin vorgefundenen Gegenstände. Mit seiner Klage verlangte der Kläger die rückständige Miete für September 2009. Hilfsweise begehrte er Nutzungsersatz bzw. Schadensersatz.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten weder ein Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Miete für den Monat September 2009 zu, noch kann er den geltend gemachten Betrag im Wege des Nutzungs- oder Schadensersatzes verlangen.

Das Mietverhältnis war durch die vom Insolvenzverwalter erklärte Kündigung auch mit Wirkung für den Beklagten zum 31.7.2009 beendet worden. Nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer ein Mietverhältnis über Räume, das der Schuldner als Mieter eingegangen ist, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzschuldner nicht alleiniger Mieter der Räume war.

Zwar ist umstritten, ob durch die Kündigung nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheidet oder das Mietverhältnis insgesamt, also auch mit Wirkung für die übrigen Mitmieter endet. Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur vertritt allerdings die Auffassung, dass die Kündigung durch den Insolvenzverwalter stets das gesamte Mietverhältnis beende. Dies folge aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses sowie der Unteilbarkeit der Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung. Dieser Ansicht hat sich auch der Senat angeschlossen.

§ 109 Abs. 1 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein Sonderkündigungsrecht, um Mietverhältnisse, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst mit Wirkung für die Masse fortbestehen, aber wirtschaftlich für die Masse nicht mehr sinnvoll genutzt werden können, unabhängig von einer vereinbarten Vertragsdauer oder den Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung beenden zu können. Die Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs. 1 InsO bei Mietverträgen, die auf Mieterseite von weiteren Personen neben dem Insolvenzschuldner abgeschlossen wurden, bestimmt sich daher nach allgemeinen mietrechtlichen Grundsätzen. Danach kann ein Mietverhältnis, wenn auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, grundsätzlich nur mit Wirkung für sämtliche Mieter gekündigt werden. Eine Kündigung mit Wirkung nur für einen der Mieter würde das Mietverhältnis grundlegend zu Lasten des oder der anderen Vertragsparteien umgestalten und wäre als eine Teilkündigung grundsätzlich unzulässig.

Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Nutzungsersatz gem. § 546a BGB in Höhe der Miete für den Monat September 2009. Das Gesetz gewährt Nutzungsentschädigung nur, wenn der Mieter dem Vermieter die Mietsache vorenthält. Eine Vorenthaltung liegt allerdings nicht vor, wenn der Vermieter - wie hier - der Auffassung des Mieters, der Mietvertrag sei beendet, widerspricht, indem er zu erkennen gibt, dass nach seiner Ansicht nicht wirksam gekündigt wurde. Infolgedessen scheiterte auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1 u. 2, §§ 286, 546a Abs. 2 BGB. Für den Beklagten bestand nämlich in dem fraglichen Zeitraum (s.o.) keine Veranlassung, auf eine Räumung des Mietobjekts hinzuwirken.

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