02.09.2011

Grundsätze zur Sekundärhaftung des Architekten nicht auf Sonderfachleute anwendbar

Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze gelten zwar auch für den umfassend beauftragten Ingenieur, der mit der Errichtung eines Ingenieurbauwerks betraut wurde. Sie sind aber grundsätzlich nicht auf Sonderfachleute anwendbar.

BGH 28.7.2011, VII ZR 4/10
Der Sachverhalt:
Der Beklagte zu 4) (fortan: Beklagter) , ein Elektroingenieur, wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz. Im Revisionsverfahren geht es nur darum, ob er sich aufgrund einer Sekundärhaftung nicht auf die Einrede der Verjährung berufen kann.

Der Kläger beauftragte in den Jahren 1990 und 1997 die Beklagten zu 1) und 3) sowie den früheren Beklagten zu 2) mit den Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F. hinsichtlich des Um- und Erweiterungsbaus zweier Altenpflegeheime. Beim ersten Bauvorhaben übertrug der Kläger dem Beklagten laut Vertrag "Teilleistungen des Elektro-Ingenieurs nach HOAI" von insgesamt 62 Prozent. Hinsichtlich des zweiten Bauvorhabens beauftragte der Kläger den Beklagten mit insgesamt 68 Prozent der Leistungen nach den Leistungsphasen des § 73 HOAI a.F. In der Präambel dieses Vertrages heißt es: "Der Ingenieur ist unabhängiger Sachwalter des Bauherrn."

Die vom Beklagten über die von ihm erbrachten Leistungen erstellten Schlussrechnungen von November 1998 und April 2000 wurden vom Kläger bezahlt. Die Elektroarbeiten wurden von der Streithelferin des Klägers ausgeführt. Sie waren mangelhaft. Der Beklagte wendet sich nicht dagegen, dass er als vom Kläger für den Bereich Elektrotechnik eingeschalteter Sonderfachmann für die Mängel einzustehen hat. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nahm der Kläger die Beklagten mit seiner Klage auf Schadensersatz in Anspruch. Er beantragte u.a., die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von rd. 68.500 € zu verurteilen.

LG und OLG gaben der Klage teilweise statt, und verurteilten den Beklagten, an den Kläger rd. 50.600 € zu zahlen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG versagt dem Beklagten zu Unrecht in Anwendung der Grundsätze der Sekundärhaftung des Architekten die Einrede der Verjährung.

Die Anwendung dieser Grundsätze, die das OLG an sich nicht verkennt, ist nicht auf den Architekten beschränkt. Sie gelten auch für den umfassend beauftragten Ingenieur, der mit der Errichtung eines Ingenieurbauwerks, § 51 Abs. 1 HOAI a.F., § 40 HOAI n.F., betraut wurde. Sie gelten dagegen grundsätzlich nicht für den Tragwerksplaner. Sie sind grundsätzlich auch nicht auf andere Sonderfachleute anzuwenden. Diese Sonderfachleute haben regelmäßig keine dem umfassend beauftragten Architekten vergleichbare Stellung. Sie werden zusätzlich zu dem Architekten für die Bearbeitung von Teilbereichen des Bauvorhabens hinzugezogen. Ihnen kommt keine zentrale Stellung als primärer Ansprechpartner des Bauherrn für das Bauvorhaben als Ganzes zu.

Danach hat das OLG zu Unrecht eine Sachwalterstellung des Beklagten bejaht. Rechtsfehlerhaft hat es nur die Stellung des Beklagten innerhalb der ihm übertragenen Aufgabenbereiche im Blick und nicht seine Stellung in den jeweiligen Bauvorhaben als Ganzes. Dem Beklagten waren als Sonderfachmann bei beiden Bauvorhaben die Planung der elektrotechnischen Stark- und Schwachstrominstallationsanlagen und damit nur Teilbereiche der technischen Ausrüstung (vgl. § 68 S. 1 Nr. 3 HOAI a.F., § 51 Abs. 2 Nr. 4 HOAI n.F.) übertragen worden. Der Beklagte hatte damit keine zentrale Stellung hinsichtlich der Planung und Durchführung der Bauwerke als Ganzes inne. Seine Position ist mit der eines umfassend beauftragten Architekten nicht vergleichbar.

Es ist daher nicht gerechtfertigt, ihn zu verpflichten, im Rahmen der Mängelhaftung Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass der Anspruch gegen ihn nicht verjährt. Auf die Frage, in welchem Umfang ihm die Überwachung der Elektroarbeiten übertragen worden ist, kommt es nicht an. Ebenso ist es unerheblich, dass er vom Kläger direkt beauftragt worden war und dass er an insgesamt sechs Bauvorhaben des Klägers mitgewirkt hat. Eine Sachwalterstellung kann auch nicht durch die formelhafte Wendung in der Präambel des Vertrags vom 12. August 1997 begründet werden, der Ingenieur sei unabhängiger Sachwalter des Bauherrn. Entscheidend ist der übertragene Aufgabenkreis.

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