12.07.2018

Haftung weiterer Tierhalter bei bloßer Anwesenheit eines verletzten Tieres auf gemeinsamer Wiese

"Beteiligter" i.S.v. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war. Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war.

BGH 24.4.2018, VI ZR 25/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist Halterin einer Stute, die Beklagte Halterin eines anderen Pferdes. Beide Pferde waren auf demselben Hof untergestellt. Im April 2013 hatte der Stallbetreiber die Pferde - wie immer - zusammen mit zwölf weiteren Pferden auf einen eingezäunten, unbeobachteten Sand- und Grasplatz (sog. Paddock) gebracht. Als die Pferde am Abend in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin. Diese stellte später am rechten hinteren Bein der Stute eine leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Der Tierarzt diagnostizierte erhebliche Beinverletzungen.

Die Klägerin behauptete dass, ihre Stute an dem besagten Tag kurz vor dem Zurückholen in den Stall, als die Herde im Paddock in Unruhe geraten sei, von einem anderen Pferd getreten worden sei. Sie nahm die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Der Umstand, dass nicht feststehe, ob das Pferd der Beklagten ihre Stute getreten habe, sei schließlich gem. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB unerheblich. Die Klage blieb allerdings in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:

Die dem Berufungsurteil zugrundeliegenden Feststellungen tragen einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 833 S. 1 BGB, auch i.V.m. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB, nicht.

Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht auf die Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst auch die Gefährdungshaftung, insbesondere die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. "Beteiligter" i.S.v. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist nur derjenige, dessen Tatbeitrag zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt hat und zur Herbeiführung der eingetretenen Verletzung geeignet war. Im Fall der Gefährdungshaftung bedarf es hierzu einer konkreten Gefährdung des Betroffenen, die geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. Im Fall der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB ist für die Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB Voraussetzung, dass sich in dem Verhalten aller als Schadensverursacher infrage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr gezeigt hat und dass diese spezifische Tiergefahr im Hinblick auf den eingetretenen Schaden kausalitätsgeeignet war.

Infolgedessen war die Beklagte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht Beteiligte i.S.v. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn das Berufungsgericht vermochte nicht auszuschließen, dass das Pferd der Beklagten während des verletzungsursächlichen Vorgangs unbeteiligt abseits stand. In diesem Fall hätte die Beklagte aber nicht unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre der Klägerin eingegriffen. Dass die Hufe des Pferdes der Beklagten beschlagen waren und das Pferd der Beklagten zusammen mit der verletzten Stute der Klägerin auf dem eingezäunten Paddock untergebracht war, ändert daran entgegen der Auffassung der Klägerin nichts.

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