11.05.2016

Hinweispflicht der Berufungsinstanz bei Annahme der Unzulässigkeit einer Feststellungsklage entgegen der Auffassung der Vorinstanz

Erachtet das Berufungsgericht eine Feststellungsklage entgegen der Auffassung des Erstgerichts für unzulässig, so muss es den Kläger gem. § 139 Abs. 3 ZPO hierauf hinweisen. Darüber hinaus muss es dem Kläger jedenfalls dann Gelegenheit geben, auf einen solchen Hinweis in der Berufungsinstanz durch eine Antragsmodifizierung zu reagieren, wenn der vom Berufungsgericht erteilte Hinweis deshalb geboten war, weil das Erstgericht einen gegenteiligen Hinweis erteilt und dadurch die erstinstanzliche Antragstellung veranlasst hatte.

BGH 10.3.2016, VII ZR 47/13
Der Sachverhalt:
Mit Bauvertrag aus August 2007, dem eine Ausschreibung der Beklagten vorangegangen war, hatte sich die Klägerin zur Durchführung von Erdarbeiten im Rahmen der Herstellung eines Tunnels verpflichtet. Die Parteien stritten später darüber, ob die Klägerin für Unterbodenarbeiten eine zusätzliche Vergütung verlangen konnte oder ob die Unterbodenarbeiten von dem Leistungsverzeichnis der Ausschreibung und damit vom Bauvertrag erfasst waren.

Die Klägerin hatte ursprünglich Zahlung von rund 411.783 € nebst Zinsen begehrt. Nach Hinweis des LG stellte die Klägerin den Zahlungsantrag insoweit um, dass für die erbrachten Unterbodenarbeiten eine zusätzliche Vergütung dem Grunde nach geschuldet wird. Diesen Antrag wies das Gericht jedoch als unbegründet ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Berufungsgericht wies die Klägerin im August 2012 darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, insbesondere habe die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der vor dem LG zuletzt gestellte Feststellungantrag sei nämlich unzulässig, da die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben seien.

Daraufhin hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag als Hauptantrag aufrechterhalten, hilfsweise einen modifizierten Feststellungsantrag gestellt und hilfs-hilfsweise beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 223.513 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das KG wies die Berufung zurück, da die Klage unzulässig sei. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als das KG den hilfs-hilfsweise gestellten Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 223.513 € nebst Zinsen für wirkungslos erachtet hatte und wies den Rechtsstreit im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.

Die Gründe:
Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhte auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör dem. Art. 103 Abs. 1 GG.

Erachtet das Berufungsgericht eine Feststellungsklage entgegen der Auffassung des Erstgerichts für unzulässig, so muss es den Kläger gem. § 139 Abs. 3 ZPO hierauf hinweisen. Darüber hinaus muss es dem Kläger jedenfalls dann Gelegenheit geben, auf einen solchen Hinweis in der Berufungsinstanz durch eine Antragsmodifizierung zu reagieren, wenn der vom Berufungsgericht erteilte Hinweis deshalb geboten war, weil das Erstgericht einen gegenteiligen Hinweis erteilt und dadurch die erstinstanzliche Antragstellung veranlasst hatte. Stellt der Kläger auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts als Hilfsantrag einen Zahlungsantrag, ist es dem Berufungsgericht verwehrt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und dadurch diese - als Reaktion auf den Hinweis des Berufungsgerichts erfolgte - Klageerweiterung für wirkungslos zu erachten, § 524 Abs. 4 ZPO analog.

Infolgedessen hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör i.V.m. dem Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, indem es den hilfs-hilfsweise geltend gemachten Zahlungsantrag nicht berücksichtigt hatte. Mit diesem Antrag hatte die Klägerin auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts aus August 2012 reagiert, mit dem das Gericht die Klägerin erstmals auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des als Berufungsantrag weiterverfolgten - ursprünglich auf Hinweis des LG hin gestellten - Feststellungsantrags hingewiesen hatte. Der Umstand, dass die Klägerin den Zahlungsantrag als Hilfsantrag geltend gemacht hatte, änderte angesichts der Verfahrenskonstellation an dem Gebot, diesen Antrag zu berücksichtigen, nichts. Denn es stellt eine sachgerechte üblicher Praxis entsprechende Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis dar, dass ein Antrag, mit dem diesem Rechnung getragen wird, nur hilfsweise geltend gemacht wird.

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