26.04.2013

Immobilienkauf: Verkäufer muss umfangreich über Mieteinnahmen aufklären

Vermitteln bei Immobilienverkäufen die vom Verkäufer angegebenen Mieteinnahmen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund besonderer Umstände ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit des Grundstücks, muss er den Käufer über diese Umstände aufklären, wenn sie für dessen Kaufentschluss erkennbar von Bedeutung sind. Die in einem Kaufvertrag vereinbarten Informationspflichten können über das hinausgehen, was der Verkäufer auf Grund der sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Käufers mitzuteilen verpflichtet ist.

BGH 1.2.2013, V ZR 72/11
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag aus März 2007 hatte der Beklagte der S. ein mit einem Einkaufszentrum bebautes Grundstück verkauft. Der Kaufpreis von über 11,7 Mio. € war durch Multiplikation der Jahresmieten mit dem Faktor 11,33 errechnet worden. Die Richtigkeit der Mieten wurde vom Beklagten garantiert. Außerdem garantierte der Beklagte der S. im notariellen Vertrag, ihr und ihren Beratern nicht nur sämtliche Mietvertragsunterlagen, sondern auch die Mieterkorrespondenz zu übergeben. Die S. ließ sich das Recht vorbehalten, noch nach Vertragsschluss innerhalb einer bestimmten Frist eine Nachverhandlung zur Anpassung des Vertrages zu verlangen.

Von der mehr als 7.000 qm großen Gesamtfläche des Einkaufszentrums war mehr als die Hälfte durch Verträge aus den Jahren 1993 und 1994 für die Dauer von 15 Jahren an die S-AG für umgerechnet 12,42 €/qm vermietet. Diese nutzte die Flächen im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses allerdings nicht mehr selbst, sondern hatte sie größtenteils untervermietet. Der aus den Untermietverhältnissen durchschnittlich erzielte Mietzins betrug bei Abschluss des Kaufvertrages 3,38 €/qm. Der S. war aufgrund eines Exposés bekannt, dass Teile der von der Hauptmieterin angemieteten Flächen untervermietet waren.

Im Hinblick auf die von den Hauptmieten erheblich abweichenden Untermieten verlangte die S. von dem Beklagten Zahlung von rund 2,7 Mio. €. Der Beklagte machte im Wege der Widerklage die Freigabe von Mietausfallbürgschaften, die er der S. vertragsgemäß gestellt hatte, geltend. Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Das OLG wies die Berufung der S. - unter Feststellung der Erledigung des mit der Widerklage verfolgten Anspruchs - zurück. Auf die Revision des Klägers, der als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. den Rechtsstreit aufgenommen hatte, hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Klage abgewiesen worden war und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Das Berufungsurteil war schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das OLG den vorgetragenen Sachverhalt nicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat. So hatte es nicht berücksichtigt, dass die Klage wegen eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Nichterfüllung einer im Kaufvertrag vereinbarten Informationspflicht begründet sein kann.

Vermitteln die von dem Verkäufer eines Hausgrundstücks angegebenen Mieteinnahmen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund besonderer Umstände ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit des Grundstücks, muss er den Käufer über diese Umstände aufklären, wenn sie für dessen Kaufentschluss erkennbar von Bedeutung sind. Ein Verkäufer kann sich vertraglich dazu verpflichten, dem Käufer bestimmte Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen vorzulegen. Die in einem Kaufvertrag vereinbarten Informationspflichten können über das hinausgehen, was der Verkäufer auf Grund der sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergebenden Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Käufers mitzuteilen verpflichtet ist.

So lag der Fall auch hier. Der Beklagte hatte im notariellen Vertrag garantiert, der S. und deren Beratern nicht nur sämtliche Mietvertragsunterlagen, sondern auch die Mieterkorrespondenz zu übergeben. Zu dieser gehörte auch der von der S. im Berufungsrechtszug vorgelegte Schriftwechsel zwischen der Vermögensverwaltung des Beklagten und der Hauptmieterin aus den Jahren 1997, 2002 und 2003, in der diese die Höhe der jeweiligen Untermieten mitgeteilt hatte. Diese Korrespondenz mit den beigefügten Untermietverträgen hätte der Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung vorlegen müssen. Feststellungen, dass er dieser Verpflichtung nachgekommen war, fehlten, weil das OLG seine Prüfung auf die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten beschränkt und sich mit dem auf die vertraglich vereinbarten Informationspflichten bezogenen Vorbringen nicht befasst hatte.

Dieses Vorbringen war jedoch erheblich. Der Kläger könnte im Fall der Verletzung der vertraglichen Informationspflicht - wie bei einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung - vom Beklagten im Wege des Schadensersatzes den Betrag verlangen, um den die S. den Kaufgegenstand zu teuer erworben hatte. Diese Gleichstellung in den Rechtsfolgen war deshalb geboten, weil die Überprüfung des Kaufgegenstands - zu deren Durchführung die Unterlagen vorzulegen waren - über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses andauerte und die S. sich das Recht vorbehalten hatte, noch nach dem Vertragsschluss innerhalb einer bestimmten Frist eine Nachverhandlung zur Anpassung des Vertrages zu verlangen.

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