Interview mit Dr. Klaus Lützenkirchen und Dr. Marc Dickersbach zum Mietrechtsänderungsgesetz 2013
Lützenkirchen: Die extreme Fokussierung auf Mietrecht bietet letztlich uns und unseren Mandanten eine ganze Reihe von Vorteilen. Bei der unglaublichen Menge neuer Entscheidungen kann eine Allgemeinkanzlei kaum noch den Überblick behalten. Daraus entstehen erhebliche Beratungsrisiken. Zudem müssen die Kollegen aus solchen Kanzleien im Zweifel immer wieder erhebliche Einarbeitungszeiten auch betriebswirtschaftlich einkalkulieren. Folge ist dann, dass manche Mandate überhaupt nicht kostendeckend bearbeitet werden können. Das sieht natürlich anders aus, wenn Sie sich komplett auf ein Rechtsgebiet konzentrieren.
Dickersbach: Das kann auch zu einer Frage der Selbstachtung werden. Im Zweifel macht der Richter, der Ihnen gegenübersitzt, nämlich auch schon seit Jahren kaum noch etwas anderes als Mietrecht. Ohne Spezialisierung ist es dann mit der Waffengleichheit in der Verhandlung nicht weit her.
FRAGE: Sie beide sind seit Jahren auch als Autoren mietrechtlicher Fachliteratur bekannt, vor allem Sie, Herr Dr. Lützenkirchen. Wie passt das in Ihren Anwalts‐Alltag?
Lützenkirchen: Sie werden es nicht glauben, aber Schreiben kann - wenn kein großer Termindruck besteht - wirklich eine entspannende Sache sein. Außerdem kommt man dadurch immer wieder auch selbst zu neuen Erkenntnissen. Man muss aber ehrlicherweise sagen, dass wir unsere schriftstellerischen Aktivitäten auch gezielt als Marketinginstrument einsetzen, das ist halt auch ein darstellbarer Kompetenzbeweis.
FRAGE: Mit Ihrem neuesten Projekt haben Sie und der Verlag Dr. Otto Schmidt ja einen echten Coup gelandet und pünktlich zum Inkrafttreten der Mietrechtsreform neben die arrivierte Konkurrenz aus München einen weiteren großen Mietrechtskommentar gestellt. Sie und Herr Dr. Dickersbach sind die einzigen Autoren dieses Mammutwerkes?
Lützenkirchen: Ja, in der Tat. Das war allerdings nicht mehr wirklich entspannend, die zusätzliche Arbeitsbelastung war in diesem Fall enorm. Einerseits musste ja die Reform komplett eingearbeitet werden, andererseits hat uns auch der BGH bis auf die letzten Meter mit neuen, wichtigen Entscheidungen "bedacht". Aber jetzt, wo der Kommentar fertig ist, macht sich natürlich Hochstimmung breit.
Dickersbach: Die Beschränkung auf zwei Autoren hat natürlich auch die überall nötige Abstimmung extrem erleichtert. Aus dieser Konstellation heraus ist es natürlich viel einfacher, am Ende ein in sich konsistentes, bruchloses Werk an den Start zu bringen.
FRAGE: Wo sehen Sie die für die Anwaltschaft am schwierigsten umzusetzenden Neuerungen der Reform?
Lützenkirchen: Auf die Rechtsanwender kommen zunächst eine ganze Reihe materiell-rechtlicher Änderungen zu, Stichwort z.B. "Energetische Modernisierung" mit ihren diversen Folgen vom Minderungsauschluss bis zur Mieterhöhung, neu im Gesetz ist auch das Thema Wärmecontracting, das erhebliche wirtschaftliche Bedeutung bekommen wird. Praktisch wichtig werden sicherlich auch die neuen Kündigungsmöglichkeiten bei Kautions-Zahlungsverzug. Vor allem muss der Anwalt aber auch in der Lage sein, die neu eingeführten prozessualen Instrumente wie die Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO, die Räumung per einstweiliger Verfügung nach § 940a ZPO oder den beschränkten Vollstreckungsauftrag nach § 885a ZPO zu nutzen. Diese Neuregelungen waren nicht ohne Grund schon im Gesetzgebungsverfahren hoch umstritten und werden viele Fragen aufwerfen.
FRAGE: Haben Sie und Ihr Verlag im Markt Lücken ausgemacht, in die Sie mit dem neuen Kommentar hineinstoßen wollen?
Lützenkirchen: Nun ja, gegen den ganz überwiegenden Teil der kompakten oder auch mittelgroßen mietrechtlichen Kommentarliteratur gibt es wenig zu sagen, dort gibt es eine Angebotsvielfalt, in der sicherlich jeder "seinen" Kommentar finden wird. Uns ist aber im Gespräch mit Kollegen immer wieder signalisiert worden, dass gerade im Segment der "Dickschiffe" das Angebot jedenfalls zahlenmäßig zu wünschen übrig lässt. Tatsächlich gab es auch viele inhaltliche Ansätze, bei denen wir besondere Stärken herausarbeiten konnten, z.B. bei der Integration des Gewerberaummietrechts. Andere Punkte betrafen eher die Feinarbeit, der Kommentar verfügt z.B. über ein gigantisches Stichwortverzeichnis, mit dem man auch wirklich findet, was man sucht. Ein weiteres, in der Tagesarbeit nützliches Detail: Die zitierten Entscheidungen sind fast ausnahmslos mit Datum und Aktenzeichen belegt. Wer kostenlose Online-Datenbanken wie "dejure.org" oder "openjur.de" nutzt, kann sich dadurch die jeweiligen Originalentscheidungen mit ein paar Mausklicks beschaffen. Aber bewerten muss das letztlich der Nutzer.
FRAGE: Wird der Kommentar auch Online verfügbar sein?
Lützenkirchen: Ja, der Verlag arbeitet bereits an einer kurzfristigen Realisierung innerhalb des zusammen mit Juris betriebenen PartnerModuls Miet- und WEG-Recht. Das war uns allen tatsächlich ein besonderes Anliegen - als Kanzlei sind wir bereits sehr weit mit der Umsetzung eines "papierlosen" Bürokonzeptes, ich selbst kann mir meine Arbeit ohne Tablet mittlerweile kaum noch vorstellen. Mittelfristig wird juristische Fachliteratur zumindest optional auch als digitale Information verfügbar sein müssen.
FRAGE: Bei den "Fachliteratur-Insidern" ist die ausgesprochen kesse Verlags-Werbung mit der Headline "Otto-Schmidt hat frisches Futter" aufgefallen. Hat es da auch in Autorenkreisen Reaktionen gegeben?
Lützenkirchen: Doch, in der Tat. Ich muss aber wirklich sagen, dass das selbst die direkte Konkurrenz ausgesprochen sportlich gesehen und zum Anlass genommen hat, die eigene Werbestrategie noch einmal zu überdenken.
Herr Dr. Lützenirchen, Herr Dr. Dickersbach, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Lützenkirchen, Mietrecht.
Großkommentar zum Mietrecht. Bearbeitet von RA Dr. Klaus Lützenkirchen und RA Dr. Marc Dickersbach. 2013, ca. 2400 Seiten Lexikonformat, gbd. Subskriptionspreis bis 28.8.2013: 129 €, danach 149 €. ISBN 978‐3‐504‐45077‐9.