13.07.2015

Kein Beseitigungsanspruch bei Verschattung eines Grundstücks durch Bäume einer Grünanlage

Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum ist. Die damit einhergehende Verschattung ist Ausdruck der Situationsgebundenheit eines Grundstücks, das am Rand einer solchen öffentlichen Grünanlage liegt; der Grundstückseigentümer kann deshalb nicht die Beseitigung der Bäume verlangen.

BGH 10.7.2015, V ZR 229/14
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer eines Grundstücks in NRW, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr überschaubarer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage. Dort stehen in einem Abstand von neun bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen.

Die Kläger verlangten von der Stadt die Beseitigung der Bäume. Sie waren der Ansicht, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich somit weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auch die Revision der Kläger vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die Kläger konnten gegen die Beklagte keinen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB geltend machen. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass das Eigentum der Kläger beeinträchtigt wird. Daran fehlte es hier allerdings.

Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen - hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden Bäume - ist im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar können nach dem in § 906 Abs. 2 S. 1 BGB enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zählt aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die bereits das Reichsgericht begründet hat, der Entzug von Luft und Licht als sog. "negative" Einwirkung nicht. Dies gilt auch im Hinblick auf Anpflanzungen.

Zwar wird das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von Pflanzen und Bäumen i.S.v. § 1004 BGB beeinträchtigt, wenn die in den Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Dies war hier aber nicht der Fall, weil der nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesrecht für stark wachsende Bäume vorgeschriebene Abstand von 4 m (§ 41 Abs. 1 Nr. 1a NachbG NRW) gewahrt war.

Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch kommt mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setzt voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt werden. Daran fehlt es, selbst wenn insoweit nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre. Denn das OLG war hier nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bepflanzung den Klägern noch zuzumuten sei, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle.

Außerdem war bei der erforderlichen Abwägung zu berücksichtigen, dass der vorgeschriebene Abstand um mehr als das Doppelte überschritten wurde. Umso mehr tritt in den Vordergrund, dass öffentliche Grünanlagen zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollten, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum ist. Die damit einhergehende Verschattung ist Ausdruck der Situationsgebundenheit des klägerischen Grundstücks, das am Rand einer öffentlichen Grünanlage liegt.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 116 vom 10.7.2015
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