18.04.2016

Kein Erfordernis der Streitschlichtung bei Zahlungsklagen wegen Verstoßes gegen nachbarrechtliche Bestimmungen

In Rheinland-Pfalz unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP. Das Revisionsgericht kann die Sache unmittelbar an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn die Zurückverweisung an dieses Gericht auch nach einer neuen Verhandlung die nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ermessensgerechte Entscheidung des Berufungsgerichts wäre.

BGH 19.2.2016, V ZR 96/15
Der Sachverhalt:
Die Streitparteien sind Nachbarn. Ihre Grundstücke werden in Verlängerung der Wand des klägerischen Hauses durch eine Mauer getrennt, die im Bereich des ersten Obergeschosses aus Glasbausteinen gebildet ist. Die Die Regenrinne am Haus des Beklagten war undicht. Nach wiederholter Aufforderung seitens der Kläger wurde sie repariert. Später verlangten die Kläger von den Beklagten Schadensersatz für die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden an der Glasbausteinwand i.H.v. rund 1.376 €. Sie hatten ohne vorheriges Güteverfahren nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Landesschlichtungsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz (LSchlG RP) Klage erhoben.

LG und OLG wiesen die Klage als unzulässig ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
§ 1 Abs. 1 Nr.1 LSchlG RP erfasst keine Zahlungsklagen, die auf die Verletzung nachbarrechtlicher Bestimmungen gestützt sind.

Die Vorschrift wird von den beiden OLG des Landes Rheinland-Pfalz unterschiedlich ausgelegt. Das OLG Zweibrücken nimmt in ständiger Rechtsprechung an, die Vorschrift erfasse auch Zahlungsansprüche. Das OLG Koblenz vertritt hingegen die Ansicht, dass für eine auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Klage der obligatorische Schlichtungsversuch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1e LSchlG RP nicht gelte. In dem zuletzt genannten Sinne wird die Vorschrift auch im Schrifttum verstanden. Der zuletzt genannten Ansicht ist dabei zu folgen.

Ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der rheinland-pfälzische Gesetzgeber in das Landesrecht übernommen hat, die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs nicht nur für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den landesgesetzlichen Vorschriften i.S.d. Art. 124 EGBGB, sondern auch für Zahlungsansprüche erlaubt, die auf solche Vorschriften gestützt werden, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht ist das allerdings der Fall. Auf den Streit kommt es jedoch nicht an, weil § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP einen Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten für eine Zahlungsklage nicht vorschreibt, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem Nachbarrechtstreit steht. Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut der Vorschrift keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte der Norm.

Die nahezu wörtliche Übereinstimmung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP einerseits und von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HSchlG und § 53 Abs. 1 Nr. 1 JustG NRW andererseits ist danach nicht zufällig, sondern gewollt. Der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber wollte die Erfahrungen dieser und anderer Bundesländer - zu denen außer Hessen und NRW noch Bayern und Brandenburg zählen - aufgreifen und das neue Schlichtungsgesetz von vorherein wie diese Bundesländer gestalten. Die Vorschrift ist deshalb auch im gleichen Sinn zu verstehen, wie es der Senat für Hessen und NRW entschieden hat. Setzte die Erhebung der Klage die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nicht voraus, durfte die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden. Das Revisionsgericht kann die Sache unmittelbar an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn die Zurückverweisung an dieses Gericht auch nach einer neuen Verhandlung die nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ermessensgerechte Entscheidung des Berufungsgerichts wäre.

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