10.05.2017

Keine Anwendung des § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB in der seit 1.9.2009 geltenden Fassung auf bereits vor diesem Datum geschiedene Ehen

Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung, nach der Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangt werden kann, ist nicht anwendbar, wenn die Ehe vor dem 1.9.2009 rechtskräftig geschieden worden ist. Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen war, ein vor dem 1.9.2009 rechtskräftig geschiedener Ehegatte könne noch die für ihn günstigeren Wirkungen des geänderten § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB in Anspruch nehmen, hält er daran nicht fest.

BGH 5.4.2017, XII ZB 259/16
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin (Ehefrau) beansprucht von ihrem seit März 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehemann, dem Antragsgegner, Zugewinnausgleich i.H.v. rd. 381.000 € nebst Zinsen. Wegen eines bei ihm entstandenen Verdachts illoyaler Vermögensverschiebungen durch die Ehefrau in der Zeit nach der Trennung beantragte der Ehemann, diese zu verpflichten, ihm Auskunft über ihr Vermögen zum Trennungszeitpunkt, dem 17.6.2005, durch Vorlage eines schriftlichen, systematisch gegliederten Bestandsverzeichnisses zu erteilen und dieses zu belegen.

Das AG - Familiengericht - verpflichtete die Ehefrau demgemäß durch Teil-Versäumnisbeschluss, welchen es auf ihren Einspruch hin aufrechterhalten hat. Auf die Beschwerde der Ehefrau änderte das OLG den angefochtenen Beschluss ab, hob den Teil-Versäumnisbeschluss auf und wies den Antrag des Ehemanns zurück. Dessen Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht § 1379 BGB in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung angewendet.

Die vorliegend bedeutsame Neufassung des § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB und die Anfügung des § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB gehen auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags zurück. Mit diesen Regelungen sollte der im Regierungsentwurf vorgeschlagene Schutz vor illoyalen Vermögensverschiebungen weiter ergänzt werden. Zwar haben die hinzugefügten Bestimmungen keinen geänderten Berechnungsmodus für den Zugewinnausgleichsanspruch, sondern nur eine auf den Trennungszeitpunkt erweiterte Auskunftspflicht (§ 1379 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie eine daran anknüpfende Darlegungs- und Beweislastregel für die Annahme illoyaler Vermögensverschiebungen (§ 1375 Abs. 2 S. 2 BGB) zum Gegenstand. Jedoch wirken auch die Regeln über die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast) auf das materielle Recht.

So vermag § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB eine nachträgliche Änderung des bei Rechtskraft der Scheidung bereits entstandenen Zugewinnausgleichsanspruchs in den Fällen zu bewirken, in denen die Ursachen für einen zwischen dem Trennungszeitpunkt und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetretenen Vermögensverlust unaufgeklärt bleiben. Allerdings ist in der Rechtsprechung und Literatur darauf hingewiesen worden, dass mit der Erweiterung der Auskunftspflicht durch § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. für sich genommen noch keine tiefgreifende Änderung der Rechtslage eintritt, die dem Schutz des Vertrauens in die bisherige Gesetzesfassung entgegensteht. Das Rechtsstaatsprinzip, aus dem das Rückwirkungsverbot für Gesetze hergeleitet wird, verbiete nämlich nicht schlechthin jede Rückwirkung, selbst wenn nachträglich an einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Tatbestand angeknüpft wird.

Vertrauensschutz komme dort nicht in Frage, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt sei. Um illoyale Vermögensminderungen insbesondere aus dem Zeitraum zwischen Trennung und Beendigung des Güterstandes aufdecken zu können, sei bereits nach bisheriger Rechtslage ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB hergeleitet worden, wenn Anhaltspunkte für illoyale Vermögensminderungen bestanden. Der Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt sei gerade deshalb ergänzt worden, um Vermögensverschiebungen zwischen der Trennung der Ehegatten und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu vermeiden, und das Vertrauen in den Fortbestand einer Manipulationsmöglichkeit sei gerade nicht schutzwürdig.

Auch diese Erwägungen führen jedoch nicht zur rückwirkenden Anwendung des § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. auf bereits abgeschlossene Sachverhalte. Abgeschlossene Sachverhalte werden nämlich durch Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB insgesamt nicht geregelt. Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 BGB a.F. ist auf vor dem 1.9.2009 abgeschlossene Sachverhalte, nämlich den durch rechtskräftige Scheidung beendeten Güterstand, weiter anzuwenden, weil etwas Anderes nicht bestimmt worden ist. Das gilt unabhängig davon, ob ein Zugewinnausgleichsverfahren am 1.9.2009 bereits anhängig war oder noch nicht. Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen war, ein vor dem 1.9.2009 rechtskräftig geschiedener Ehegatte könne noch die für ihn günstigeren Wirkungen des geänderten § 1379 Abs. 1 S. 1 BGB in Anspruch nehmen, hält er daran nicht fest.

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