Keine Berichtigung nach § 129 AO bei Übernahme elektronisch übermittelter Lohndaten anstelle des vom Arbeitnehmer erklärten Arbeitslohns
KurzbesprechungAO § 129
Die Steuerpflichtige war im Streitjahr 2011 hintereinander bei zwei Arbeitgebern beschäftigt gewesen. In ihrer in Papierform eingereichten Einkommensteuererklärung erklärte sie zutreffend ihren aus diesen beiden Arbeitsverhältnissen bezogenen Arbeitslohn. Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid dagegen lediglich den Arbeitslohn aus dem zweiten Arbeitsverhältnis. Nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids stellte das FA fest, dass der erste Arbeitgeber erst im Nachhinein die richtigen Lohndaten für die Steuerpflichtige übermittelt hatte und diese deshalb im Bescheid nicht enthalten waren. Das FA erließ daraufhin einen auf § 129 AO gestützten Änderungsbescheid.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bekam die Steuerpflichtige vor dem FG Recht. Auch der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass § 129 AO in einem solchen Fall nicht zur Bescheidberichtigung berechtigt.
Insbesondere liegt keine für die Anwendung von § 129 AO erforderliche offenbare Unrichtigkeit vor. Denn die Steuerpflichtige hatte ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt, das FA diese Angaben aber ignoriert, weil es darauf vertraut hatte, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten zutreffend waren. Kommt es bei dieser Vorgehensweise zu einer fehlerhaften Erfassung des Arbeitslohns, liegt kein die Anwendung von § 129 AO rechtfertigendes mechanisches Versehen, sondern ein Ermittlungsfehler des FA vor.
Umgekehrt hat dies aber auch zur Folge, dass bei Erfassung eines zu hohen Arbeitslohns aufgrund einer fehlerhaften elektronischen Übermittlung durch den Arbeitgeber sich auch der Steuerpflichtige in vergleichbaren Fällen ebenfalls nicht im Nachhinein auf § 129 AO berufen, wenn er den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt.
Beraterhinweis: Nicht zu berücksichtigen war im Streitfall die seit 1. 1. 2017 geltende Neuregelung in § 175b AO. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
BFH, Urteil vom 16.1.2018, VI R 41/16, veröffentlicht am 14.3.2018.