27.06.2016

Keine Berücksichtigung des Zugangsfaktors bei der Teilung von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung

Bei der Teilung von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt der Zugangsfaktor unberücksichtigt. Nach neuem Recht ist eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors im Versorgungsausgleich bei der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen, weil der Ausgleich nicht mehr durch die Teilung tatsächlicher oder fiktiver Rentenbeträge, sondern nach §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 VersAusglG durch die Teilung ehezeitlich erworbener Bezugsgrößen erfolgt.

BGH 11.5.2016, XII ZB 480/13
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um den Versorgungsausgleich. Die im Juli 1969 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute wurde auf einen im Dezember 2009 zugestellten Scheidungsantrag rechtskräftig geschieden. Die Ehegatten haben in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.7.1969 bis zum 30.11.2009 verschiedene Versorgungsanrechte erlangt.

Der 1947 geborene Antragsteller (Ehemann) hat bei der DRV Bund ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 52,5359 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 26,2680 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: rd. 160.000 €) erworben. Daneben hat der Ehemann zwei Anrechte der betrieblichen Altersversorgung mit Ausgleichswerten von rd. 39.000€ und rd. 59.000 € erworben, die abschließend in einen gerichtlichen Vergleich der Eheleute über die Vermögensauseinandersetzung einbezogen worden sind. Die 1946 geborene Antragsgegnerin (Ehefrau) hat ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung bei der DRV Baden-Württemberg mit einem Ehezeitanteil von 16,9133 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 8,4567 Entgeltpunkten (Kapitalwert: rd. 52.000 €) erlangt. Beide Ehegatten sind Altersrentner. Der Ehemann bezieht bereits seit dem 1.8.2007 ein um 60 Monate vorgezogenes Altersruhegeld mit einem dementsprechend verminderten Zugangsfaktor von 0,82.

Das AG regelte den Versorgungsausgleich unter Ausschluss eines Ausgleichs der übrigen Anrechte dahingehend, dass es die von beiden Ehegatten erworbenen gesetzlichen Rentenanrechte auf der Grundlage der von den Versorgungsträgern vorgeschlagenen Ausgleichswerte intern geteilt hat. Die Beschwerde, mit der sich der Ehemann gegen den Ausgleich der von ihm erworbenen Anrechte bei der DRV Bund wendete und dabei geltend machte, dass mit Blick auf den Halbteilungsgrundsatz der bei seiner Altersrente vorgenommene Versorgungsabschlag im Versorgungsausgleich mindestens wegen der 28 Monate vorzeitigen Rentenbezugs berücksichtigt werden müsse, die vor dem Ende der Ehezeit zurückgelegt worden seien (1.8.2007 bis 30.11.2009), hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns blieb vor dem BGH ebenfalls ohne Erfolg.

Die Gründe:
Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das OLG die vom Ehemann während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte hälftig geteilt, ohne hierbei den durch vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente verringerten Zugangsfaktor zu berücksichtigen.

Nach neuem Recht ist eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors im Versorgungsausgleich bei der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen, weil der Ausgleich nicht mehr durch die Teilung tatsächlicher oder fiktiver Rentenbeträge, sondern nach §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 VersAusglG durch die Teilung ehezeitlich erworbener Bezugsgrößen erfolgt. Teilungsgegenstand in der gesetzlichen Rentenversicherung sind dabei nach §§ 41 Abs. 1, 39 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG i.V.m. § 109 Abs. 6 SGB VI die ehezeitlich erworbenen Entgeltpunkte aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze, nicht aber die mit dem individuellen Zugangsfaktor der ausgleichspflichtigen Person multiplizierten persönlichen Entgeltpunkte. Auf dieser Grundlage wird auch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt.

Zwar verbleibt für den Ehemann aus dem geteilten Anrecht nur eine geringere Altersrente, als sie der Ehefrau ab dem Erreichen ihrer Regelaltersgrenze zusteht. Damit geht jedoch einher, dass der Ehemann die um den Versorgungsabschlag gekürzte Rente vorgezogen beantragt hat und diese bereits vor dem Erreichen seiner Regelaltersgrenze bezieht. Sein vorgezogener und damit verlängerter Rentenbezug spiegelt den versicherungsmathematischen Barwert einer betragshöheren Rente, die erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen würde und nach seiner Wahl auch von ihm hätte bezogen werden können.

Bleibt bei einem unmittelbar zu bewertenden Anrecht der verminderte Zugangsfaktor trotz ehezeitlicher Verminderungszeiten im Versorgungsausgleich unberücksichtigt, kann das durch formale Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Bezugsgrößen erzielte Ausgleichsergebnis auch nicht ohne weiteres über die Anwendung des § 27 VersAusglG korrigiert werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, dass die Nichtberücksichtigung eines verminderten Zugangsfaktors den gesetzlich bestimmten Regelfall darstellt. Nach der Rechtsprechung des Senats können Härteklauseln im Versorgungsausgleich keine generelle Korrektur rein systembedingter Belastungen für den ausgleichspflichtigen Ehegatten ermöglichen. Allein der bloße Rentenbezug durch den Ausgleichspflichtigen mit einem geminderten Zugangsfaktor ist deshalb noch kein ausreichender Grund für die Anwendung des § 27 VersAusglG, auch wenn die Zeiten des vorzeitigen Rentenbezugs ganz oder teilweise in die Ehezeit fallen.

Das schließt es freilich nicht aus, dass der Versorgungsausgleich in Fällen eines ganz oder teilweise in die Ehezeit fallenden vorzeitigen Rentenbezugs einer wertenden Korrektur nach § 27 VersAusglG unterliegen kann, wenn die Nichtberücksichtigung des verminderten Zugangsfaktors bei einer Gesamtwürdigung aller bedeutenden Umstände des Einzelfalls zu einem grob unbilligen Ergebnis führen würde. Anlass zu einer solchen Prüfung mag dann bestehen, wenn der vorzeitige Renteneintritt sofern er vor dem Ende der Ehezeit erfolgt ist vom gemeinsamen Willen der Ehegatten getragen wurde und der ausgleichsberechtigte Ehegatte dabei von der vorzeitigen Inanspruchnahme des Ruhegelds durch den ausgleichspflichtigen Ehegatten unterhaltsrechtlich profitiert hat. In solchen Sachverhaltskonstellationen kann es im Einzelfall unbillig i.S.d. § 27 VersAusglG erscheinen, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte die mit dem geminderten Zugangsfaktor einhergehende wirtschaftliche Belastung soweit diese auf den vor dem Ehezeitende zurückgelegten Verminderungszeiten beruht nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs künftig allein tragen soll, während sein Ehegatte demgegenüber in den Genuss einer ungekürzten Rente aus dem geteilten Anrecht kommt. Nach alldem hat das OLG die Anwendung von § 27 VersAusglG nicht in Betracht ziehen müssen.

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