14.04.2015

Keine Bestimmung des Inhaltes einer Verwahrungsanweisung durch eigene Auslegung

Notare sind nicht berechtigt, ein nicht zweifelfreies Verständnis vom Inhalt einer Verwahrungsanweisung ihren Handlungen zugrunde zu legen, ohne mit der Treugeberin ein Einvernehmen herbeigeführt zu haben. Sie dürfen den Inhalt einer Verwahrungsanweisung nicht durch ihre eigenen Auslegungen bestimmen.

BGH 16.3.2015, NotSt(Brfg) 2/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Anwaltsnotar. Er beurkundete im August 2009  einen Grundstückskaufvertrag ohne Auflassung. Zuvor war er von den Kaufvertragsparteien angewiesen worden, den Kaufgegenstand pfandfrei zu machen und einen eventuellen Restbetrag auf ein Konto des Veräußerers oder an einen vom Veräußerer noch zu benennenden Dritten weiter zu überweisen. Die Auszahlungen setzten voraus, dass alle Bedingungen zur vertragsgemäßen Eigentumsumschreibung einschließlich Eintragungsantrag auf den Erwerber, ausgenommen das Vorliegen der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, erfüllt sind.

Bezüglich des Kaufobjekts wurde vor dem AG von der Gläubigerin einer Grundschuld ein Zwangsversteigerungsverfahren betrieben. Der eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk sowie eine brieflose Grundschuld sollten gelöscht werden. Zur Finanzierung eines Teiles des Kaufpreises nahm die Erwerberin ein Darlehen der I-AG in Anspruch. Die Valuta gelangte auf dem notariellen Anderkonto zur Gutschrift. Der Kläger durfte über den Kaufpreis aber erst verfügen, wenn ihm auf der Grundlage seiner Akten und der Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten (ohne Geschäftseingang) bzw. die Markentabelle eines elektronisch geführten Grundbuches keine sonstigen Umstände bekannt waren, die der Eintragung der Grundschuld der I-AG im ersten Rang entgegenstanden.

Die Altgläubigerin erteilte die Löschungsbewilligung sowie einen Treuhandauftrag für die Verfügung über die Löschungsbewilligung für die Grundschuld. Außerdem übersandte sie dem Kläger den Antrag auf Rücknahme des Versteigerungsantrags im Versteigerungsverfahren. Die I-AG betätigte, dass die Grundschuld nur als Sicherheit für die auf die Kaufpreisschuld geleisteten Zahlungen dienen solle. Die zur Absicherung der Kreditforderung bestellte Buchgrundschuld wurde im Oktober 2009 im Grundbuch eingetragen zunächst an rangbereiter Stelle nach dem Versteigerungsvermerk und dem noch zu löschenden Altgrundpfandrecht, jedoch im Rang vor der zu Gunsten der Erwerberin eingetragenen Auflassungsvormerkung.

Ende Oktober 2009 reichte der Kläger den Grundstückskaufvertrag, die Löschungsbewilligung für das nicht übernommene Altgrundpfandrecht verbunden mit dem Antrag auf Löschung der zu Gunsten der Erwerberin eingetragenen Auflassungsvormerkung beim zuständigen Grundbuchamt ein. Er leitete am selben Tag dem Vollstreckungsgericht die Erklärung der Rücknahme des Antrags auf Zwangsversteigerung zu und verfügte über den auf dem Anderkonto hinterlegten Kaufpreis. Das Grundbuchamt wies darauf hin, dass die Auflassung für das Grundstück noch fehle. Daraufhin wurde die noch fehlende Auflassung vom Kläger beurkundet und beim Grundbuchamt eingereicht. Mit der Eintragung der Auflassung wurden der Zwangsversteigerungsvermerk und die (Alt-)Belastung gelöscht.

Der Beklagte leitete wegen dieser Sache im April 2013 nach § 96 Abs. 1 S. 1 BNotO i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 1 BDG ein Disziplinarverfahren ein. Er verhängte gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens durch Verletzung der Amtspflichten als Notar nach § 54b Abs. 1 u. Abs. 3 S. 4 BeurkG in zwei Fällen eine Geldbuße i.H.v. 500 €. Das OLG hat die Disziplinarverfügung abgeändert und gegen den Kläger wegen schuldhafter Verletzung seiner Amtspflichten in einem Fall einen Verweis verhängt. Auf die Berufung des Beklagten hat der BGH das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG ließ sich der Wortlaut der Anweisung der I-AG an den Kläger nicht darauf verengen, dass zum Zeitpunkt der Verfügung über den anvertrauten Kaufpreis alle zur Herbeiführung der rangrichtigen Eintragung erforderlichen Unterlagen lediglich in seinem Besitz sein sollten. Dies war außerdem nicht der Fall, weil dem Kläger jedenfalls nicht der für die rangrichtige Eintragung erforderliche Beschluss über die Aufhebung der Beschlagnahme vorlag, als er den restlichen Kaufpreisbetrag an die Altgläubigerin überwies. Zudem lag dem Grundbuchamt auch kein Ersuchen des Vollstreckungsgerichts um Löschung des Versteigerungsvermerks vor.

Der Kläger durfte über den Kaufpreis erst verfügen, wenn ihm auf der Grundlage seiner Akten und der Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten (ohne Geschäftseingang) bzw. die Markentabelle eines elektronisch geführten Grundbuches keine sonstigen Umstände bekannt war, die der Eintragung der Grundschuld der I-AG im ersten Rang entgegenstanden. Solange der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen war, war diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers sicherte auch nicht schon die Einreichung der Erklärung der Rücknahme des Antrags auf Zwangsversteigerung beim Vollstreckungsgericht die I-AG in dem in der Treuhandanweisung niedergelegten Umfang.

Die Beschlagnahme wird durch hoheitliches Handeln des Vollstreckungsgerichts, das für den Staat als Inhaber der Zwangsgewalt tätig wird, bewirkt und ist somit öffentlich-rechtlicher Natur. Daraus folgt, dass nur das Vollstreckungsgericht die durch den Anordnungsbeschluss (§ 20 ZVG) wirksam gewordene Beschlagnahme wieder beseitigen kann. Dafür bedarf es eines Aufhebungsbeschlusses (§ 32 ZVG), der konstitutiv wirkt. Eine hoheitliche Maßnahme kann nicht von einem Privaten durch Rücknahme des Vollstreckungsantrags aufgehoben werden. Dass der I-AG als der Treugeberin kein Schaden erwachsen war, änderte an dem Verstoß nichts.

Der Kläger war nicht berechtigt, seinem Handeln ein nicht zweifelsfreies Verständnis vom Inhalt der Verwahrungsanweisung zugrunde zu legen, ohne mit der Treugeberin ein Einvernehmen herbeigeführt zu haben. Er durfte den Inhalt der Verwahrungsanweisung nicht durch seine eigene Auslegung bestimmen. Er hätte vielmehr entsprechend den Regelungen in § 17 BeurkG, § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO bei der Treugeberin nachfragen und eine Anpassung der Treuhandauflagen der kaufpreisfinanzierenden I-AG erwirken müssen. Nicht der Kläger, sondern allein die kreditgewährende Bank hatte zu entscheiden, ob sie bei Kenntnis des Risikos vor der Aufhebung der Beschlagnahme den Kläger anweist, über den von ihr finanzierten Teil des Kaufpreises zu verfügen.

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