07.10.2011

Keine Geldentschädigung für Grundstückseigentümer wegen Nichtumsetzung eines Bebauungsplans

Grundstückseigentümern kann nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 S. 1 BauGB bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 BauGB nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs gewährt werden. Belastet eine Festsetzung im Bebauungsplan auch unter Berücksichtigung der absehbaren zeitlichen Dimension ihrer Umsetzung den Eigentümer ungeachtet seines Übernahmeanspruchs unverhältnismäßig in seinem Grundstückseigentum, kann ein daraus folgender Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nicht durch eine anderweitige, im Gesetz nicht vorgesehene Entschädigungsleistung kompensiert werden.

BVerfG 15.9.2011, 1 BvR 2232/10
Der Sachverhalt:
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Eigentümer zweier Grundstücke in einer Stadt in Baden-Württemberg, auf denen sich eine privat genutzte Parkanlage mit einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa befindet. Die Grundstücke waren seit 1939 als Wohngebiet mit Gewerbebetrieben ausgewiesen. Nachdem die Stadt im Jahr 1982 beschlossen hatte, für das Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, erklärten die Beschwerdeführer ihre Bauabsicht für drei Bauobjekte mit insgesamt 51 Wohneinheiten. Der Bebauungsplan trat 1987 in Kraft. Er weist auf den beiden Grundstücken eine öffentliche Parkanlage und eine Fläche für einen Kindergarten aus. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen den Bebauungsplan blieben vor den VG erfolglos. Ebenso wie ihre Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 565/91).

Die Stadt hat bislang nichts zur Umsetzung des Bebauungsplans unternommen. Für den Kindergarten besteht derzeit kein Bedarf mehr. Da die Beschwerdeführer aufgrund des Bebauungsplans ihre Bauabsichten nicht umsetzen konnten und dies weiterhin nicht können, verlangen sie von der Stadt eine Geldentschädigung. Das LG gab der Klage statt; OLG und BGH wiesen den Entschädigungsantrag allerdings zurück. Die hier in Rede stehenden fremdnützigen Festsetzungen im Bebauungsplan richteten sich nach § 40 Abs. 1 BauGB, so dass aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 3 S. 1 BauGB unter den hier gegebenen Umständen nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs in Betracht komme.

Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, durch die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung des § 43 Abs. 3 S. 1 BauGB würden die betroffenen Grundstückseigentümer verfassungswidrig gezwungen, entweder ihr Grundstückseigentum aufzugeben, um ein Entschädigung für den Entzug der Baumöglichkeit zu erhalten, oder die ihnen infolge der Umplanung faktisch auferlegte "Veränderungssperre" auf ungewisse Dauer entschädigungslos hinzunehmen. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde allerdings nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Die Auslegung der einschlägigen planungsschadensrechtlichen Vorschriften durch die Fachgerichte ließen keine Verletzung von Verfassungsrecht erkennen. Auch die Verfassungswidrigkeit der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Rechtslage konnte nicht festgestellt werden.

Der § 43 Abs. 3 S. 1 BauGB kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass den Beschwerdeführern die begehrte Geldentschädigung nach § 42 BauGB zuzuerkennen wäre, würde die Grenzen der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten. Dieser Auslegung steht nicht nur der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen, sondern auch der erkennbare Wille des Gesetzgebers. Danach soll im Fall der in § 40 Abs. 1 BauGB aufgeführten fremdnützigen Festsetzungen vermieden werden, dass der Eigentümer das betroffene Gründstück behalten und bis zu dessen endgültiger planmäßiger Verwendung Vermögensnachteile in Geld liquidieren kann.

Es ließ sich auch nicht feststellen, dass die Bestimmung des § 43 Abs. 3 S. 1 BauGB und die damit eine weitergehende Entschädigung versagende Rechtslage gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. Diesbezüglich müssen die Beschwerdeführer sich auf den Verwaltungsrechtsweg verweisen lassen. Dieser Primärrechtsschutz - entweder im Rahmen eines erneuten Normenkontrollverfahrens oder durch eine Inzidentkontrolle der Planfestsetzungen im Bauvorbescheid- oder Baugenehmigungsverfahren - ist weder verfahrensrechtlich ausgeschlossen noch in der Sache aussichtslos.

Die VG müssen darüber entscheiden, ob der Bebauungsplan zwischenzeitlich funktionslos geworden ist, oder - falls dies nicht der Fall ist - ob die beanstandeten Festsetzungen unter den nun gegebenen Bedingungen die Eigentumsbefugnisse der Beschwerdeführer noch verhältnismäßig einschränken. Belastet eine Festsetzung im Bebauungsplan auch unter Berücksichtigung der absehbaren zeitlichen Dimension ihrer Umsetzung den Eigentümer ungeachtet seines Übernahmeanspruchs unverhältnismäßig in seinem Grundstückseigentum, kann ein daraus folgender Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nicht durch eine anderweitige, im Gesetz nicht vorgesehene Entschädigungsleistung kompensiert werden. Es hat dann bei dem nach der jeweiligen Verfahrensart vor den VG möglichen Rechtsfolgenausspruch für den festgestellten Verfassungsverstoß zu verbleiben.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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BVerfG PM Nr. 62 vom 7.10.2011
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