Keine Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Verwendung von "Google Maps"
LAG Hamburg 2.5.2012, H 6 TaBV 103/11Arbeitgeberin und Antragsgegnerin ist ein Logistikunternehmen, das zum Konzern D. gehört und Paket- sowie Kurierdienstleistungen anbietet. Der Antragsteller ist ein örtlicher Betriebsrat. Im Konzern gilt die Konzernbetriebsvereinbarung "Informationstechnologie des Konzerns D." aus dem Jahr 2004. Diese beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten. Die Software wird im Konzern zentral verwaltet. Daten - etwa betreffend Gehaltsabrechnungen und andere personelle Angelegenheiten - werden zwischen den einzelnen Konzernunternehmen ausgetauscht.
Im Juni 2009 legte ein Arbeitnehmer der Antragsgegnerin eine Reisekostenabrechnung vor. Als zurückgelegte Strecke für die Hin- und Rückfahrt gab er 60 km an. Da diese Entfernungsangabe der Arbeitgeberin überhöht erschien, überprüfte der Niederlassungsleiter L. die angegebene Entfernung mit dem Internetdienst und Routenplaner "Google Maps". Der betroffene Arbeitnehmer wurde daraufhin auf die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen - mit Hilfe von "Google Maps" errechneten - und der auf der Reisekostenabrechnung angegebenen Entfernung hingewiesen und anschließend abgemahnt.
Dieser Vorgang veranlasste den Antragsteller dazu, den Niederlassungsleiter L. aufzufordern, die Anwendung von "Google Maps" im Betrieb zu unterlassen. Zugleich forderte der Antragsteller die Arbeitgeberin auf, Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Thema "Google Maps" aufzunehmen. Dieses Begehren lehnte die Arbeitgeberin ab, woraufhin der Antragsteller das vorliegende Verfahren einleitete.
Das ArbG wies die Anträge zurück. Die Beschwerde des Antragstellers blieb vor dem LAG erfolglos. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Gründe:
Auch unterstellt, es gibt ein Mitbestimmungsrecht bei der Verwendung von "Google Maps" gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, liegt dennoch kein Unterlassungsanspruch des örtlichen Betriebsrates, also des Antragstellers vor. Denn schließt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit gem. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung.
Die Konzernbetriebsvereinbarung "Informationstechnologie des Konzerns D." wurde in originären Zuständigkeit mit dem Konzernbetriebsrat abgeschlossen und enthält umfangreiche Regelungen zu Verhaltens- und Leistungskontrollen. Ist der Konzernbetriebsrat für die Angelegenheit originär zuständig, so ist er auch dann nicht auf die Regelung der konzerneinheitlichen Rahmenbedingungen beschränkt, wenn Detailfragen für einzelne Betriebe oder Unternehmen unterschiedlich geregelt werden könnten, wie dies hier vorstellbar ist. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht nach Regelungsangelegenheiten in Teile aufgespalten werden, die zum einen in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates fallen und zum anderen in die Zuständigkeit der Gesamt- oder Einzelbetriebsräte.
Letztlich fällt die Verwendung von "Google Maps" im Rahmen der Kontrolle von Fahrgeldabrechnungen eines Arbeitnehmers auch nicht unter den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Es handelt sich zwar um eine technische Einrichtung, es fehlt aber insoweit an einer Bestimmung zur Überwachung und am Unmittelbarkeitserfordernis. Bereits die Datenerhebung betrifft nicht das Sammeln von Verhaltens- oder Leistungsdaten der Arbeitnehmer. Eingegeben wird zwar auch der Wohn- oder Arbeitsort, jedoch sind diese Daten an sich nicht aussagekräftig, um mit ihnen auf ein Verhalten oder eine Leistung zu schließen. Auch die Verarbeitung dieser Daten in ihrer Verknüpfung sagt nichts dergleichen aus, vielmehr ergibt sich eine schlichte Entfernungsangabe zwischen den eingegebenen Orten. "Google Maps" ist damit ein technisches Hilfsmittel, um Fakten zu sammeln, die völlig unabhängig von einem Verhalten oder einer Leistung des betroffenen Arbeitnehmers bestehen.