08.02.2012

Kfz-Haftpflichtversicherer können bei absoluter Fahruntüchtigkeit die Leistung vollständig versagen

Versicherungen können bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen (hier: Kürzung auf null bei absoluter Fahruntüchtigkeit). Dazu bedarf es allerdings stets einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles.

BGH 11.1.2012, IV ZR 251/10
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war gegen 17.15 Uhr mit seinem PKW geradeaus in eine Grundstücksmauer gefahren. Eine ihm um 18.27 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 2,10 Promille. Die klagende Kfz-Haftpflichtversicherung verlangte vom Beklagten anlässlich der Trunkenheitsfahrt im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit Erstattung des von ihr regulierten Gesamtschadens i.H.v. 4.657 €. Dem Versicherungsverhältnis lagen die AKB 2008 zugrunde.

Der Beklagte erkannte allerdings nur einen Teilbetrag von 1.877 € an. Ihm könne keine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt nachgewiesen werden und er habe wegen des Ausschlusses einer Leistungskürzung auf null bei § 28 Abs. 2 S. 2 VVG für den Schaden nur zur Hälfte einzustehen. Weiterhin sei die Bestimmung über die Leistungskürzung bei Verletzung von Obliegenheiten in D.3.1 AKB 2008 intransparent.

Das AG gab der Klage im vollen Umfang statt. Berufung und Revision des Beklagten blieben erfolglos.

Die Gründe:
Das Verhalten des Beklagten hat ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf null gerechtfertigt.

Für § 81 Abs. 2 VVG ist die Frage der Möglichkeit einer Leistungskürzung auf null in Ausnahmefällen durch bereits geklärt (BGH-Urt. v. 22.6.2011, Az.: IV ZR 225/10). Demnach steht die dort geregelte Rechtsfolge, wonach der Versicherer berechtigt ist, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen", einer vollständigen Versagung der Leistung in Ausnahmefällen nicht entgegen. Es bedarf dabei stets einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Auch der mit der Abschaffung des Alles-oder-Nichts-Prinzips verfolgte Gesetzeszweck führt nicht zur Unzulässigkeit der vollständigen Leistungsfreiheit. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit dem Vorsatz annähert.

Diese Grundsätze treffen ebenso auf die Regelung des § 28 Abs. 2 VVG zu. Denn hinsichtlich der Rechtsfolge weisen beide Vorschriften einen identischen Wortlaut auf. Sie teilen dieselbe Entstehungsgeschichte. Insofern war das Berufungsgericht bei seiner Abwägung aller Umstände des konkreten Falls auch beanstandungsfrei zu einer Leistungskürzung auf null gelangt. Es hatte insbesondere zutreffend zugrunde gelegt, dass der Beklagte deutlich über der Grenze der dafür maßgeblichen Grenze von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig war und das Führen in einem alkohol-bedingt fahruntüchtigen Zustand zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt zählt.

Letztlich war auch der Einwand des Beklagten, die vertragliche Regelung über die Leistungskürzung bei Verletzung von Obliegenheiten in D.3.1 AKB 2008 sei wegen fehlender Transparenz gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, unerheblich. Denn dieser Bestimmung, die sich im Kern lediglich dem Gesetzeswortlaut anschließt, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehmen, dass eine Leistungskürzung auf null in Fällen grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück