10.05.2012

Kfz-Halter können auch bei vorsätzlicher Kollision durch Polizeifahrzeuge haften

Der Kfz-Halter, der sich einer polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung seines Fahrzeuges entzieht, haftet unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 7 StVG für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck stehen. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Fahrer eines Polizeifahrzeuges zum Zwecke der Gefahrenabwehr vorsätzlich eine Kollision mit dem fliehenden Fahrzeug herbeiführt.

BGH 31.1.2012, VI ZR 43/11
Der Sachverhalt:
Der Fahrer eines VW-Golfs hatte sich im April 2008 einer Verkehrskontrolle entzogen. Dabei verletzte er eine Polizeibeamtin. Die Einsatzkräfte der Polizei nahmen daraufhin die Verfolgung auf. Um den Flüchtigen zu stoppen, entschlossen sie sich, den Verkehr auf der Autobahn an einer Anschlussstelle zu verlangsamen, indem zwei Dienstfahrzeuge mit geringer Geschwindigkeit die beiden Fahrstreifen befuhren und ein Lkw-Fahrer, den die Polizei um Hilfe gebeten hatte, mit seinem Sattelzug auf gleicher Höhe langsam auf dem Standstreifen fuhr.

Da alle drei Fahrstreifen damit blockiert waren, wurde der herannahende Golf-Fahrer gezwungen, abzubremsen. Er versuchte, zwischen den beiden Polizeiautos hindurch zu fahren, doch dabei wurde er von einem weiteren Polizeifahrzeug von hinten gerammt, so dass er zwischen den beiden anderen Polizeifahrzeugen durchgeschoben wurde. Das Fluchtfahrzeug wurde sodann von einem weiteren Fahrzeug des klagenden Landes an die Mittelleitplanke abgedrängt und gestoppt.

Später machte der Kläger vom Haftpflichtversicherer des Fluchtfahrzeuges den an seinen vier Polizeifahrzeugen entstandenen Schaden i.H.v. rund 17.271 € geltend. Das LG gab der Klage i.H.v. rund 17.032 € statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnte ein Schadensersatzanspruch des klagenden Landes wegen des Schadens an den Polizeifahrzeugen nicht deshalb verneint werden, weil die Polizeibeamten die entstandenen Schäden dadurch selbst verursacht hatten, dass sie das Fluchtfahrzeug vorsätzlich rammten, um die Verfolgungsjagd zu beenden.

Der Kfz-Halter, der sich einer polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung seines Fahrzeuges entzieht, haftet unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 7 StVG für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck stehen. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Fahrer eines Polizeifahrzeuges zum Zwecke der Gefahrenabwehr vorsätzlich eine Kollision mit dem fliehenden Fahrzeug herbeiführt, um es zum Anhalten zu zwingen.

Im vorliegenden Fall hatte sich der Kfz-Halter einer Verkehrskontrolle entzogen, dabei eine Polizeibeamtin verletzt und sich danach über viele Kilometer hinweg mit den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit eine Verfolgungsjagd geliefert. Da von diesem rücksichtslosen Verhalten eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausging, stand die Entscheidung, die Flucht durch eine Kollision mit dem Fluchtfahrzeug auf die erfolgte Art zu beenden, nicht außer Verhältnis zu dem Ziel der Beendigung der Flucht und der Ergreifung des Fliehenden.

Die Tatsache, dass das Auffahren im Streitfall vorsätzlich erfolgte, um das Fluchtfahrzeug zu stoppen, hatte lediglich Bedeutung für die Frage, ob der Unfall für einen der Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG n.F. bzw. § 7 Abs. 2 StVG a.F. war. Die Frage der rechtlichen Unabwendbarkeit in Verfolgungsfällen ist allerdings unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns vergleichbar zu beantworten wie die Frage einer Haftung nach § 823 BGB. Wer sich somit der polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges entzieht, haftet für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck standen. Der Anspruch auf Ersatz des dabei an den beteiligten Polizeifahrzeugen entstandenen Sachschadens kann nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG auch als Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Fluchtfahrzeuges geltend gemacht werden.

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