27.02.2012

Kindertagespflege in einer Eigentumswohnung kann unzumutbare Beeinträchtigung darstellen

Eine ganztägige Kinderbetreuung in einem Wohnhaus kann zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen. Durch die Kinderbetreuung wird Unruhe im Haus gestiftet, die bei einer (zulässigen) Wohnungsnutzung durch eine Großfamilie nicht in diesem Maße aufträte.

LG Köln 11.8.2011, 29 S 285/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung der Klägerin befindet sich im Erdgeschoss rechts, die Wohnung der Beklagten befindet sich darüber. Die Mieterin der Wohnung der Beklagten übt mit Erlaubnis der Stadt eine Tätigkeit als Tagesmutter aus. Sie betreut dort werktags im Zeitraum vom 7:00 bis 19:00 Uhr bis zu 5 Kinder im Alter vom 0 bis 3 Jahren.

Die Teilungserklärung besagt, dass die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes nur mit Zustimmung des Verwalters zulässig ist. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund verweigert, aber von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. Als wichtiger Grund gilt insb., wenn die Ausübung des Gewerbes eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Eigentümer befürchten lässt. Erteilt der Verwalter eine Zustimmung nicht, kann der Betroffene einen Beschluss herbeiführen, der wiederum die Entscheidung mit 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen ändern kann.

Die Beklagten haben keine Zustimmung beantragt; der Verwalter erklärte, dass er eine solche wegen der Lärmbelästigungen auch nicht erteilen werde. Er ließ auf einer Eigentümerversammlung über eine Genehmigung abstimmen, wobei der nur mit einfacher Mehrheit befürwortete Antrag (fälschlicherweise) als "angenommen" bezeichnet wurde. Später folgte jedoch eine "Korrektur". Die Beschlussfassung wurde nicht angefochten. Die Klägerin verlangte von der Beklagten Unterlassung der Nutzung.

Das AG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, es handele sich nicht um eine zustimmungsbedürftige gewerbliche Tätigkeit i.S.d. Teilungserklärung. Die Art der Tätigkeit sei von einer normalen Wohnungsnutzung nicht zu unterscheiden. Auf die Berufung der Klägerin hob das LG das Urteil auf und gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen, die dort unter dem Az. V ZR 204/11 geführt wird.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG.

Aus dem Umstand, dass unter Abänderung der Entscheidung der Verwalterin eine Genehmigung nicht mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden war, ergab sich noch nicht, dass damit das kontradiktorische Gegenteil, nämlich die Untersagung der Tätigkeit, beschlossen wurde. Vielmehr verhielt es sich so, dass es in diesem Fall bei der Entscheidung der Verwalterin blieb.

Der Verwalter war berechtigt, die Zustimmung zu verweigern. Bei der Frage einer "Befürchtung" unzumutbarer Beeinträchtigungen ist eine vom Einzelfall losgelöste, typisierende Betrachtung geboten; ob tatsächlich Störungen eintreten, ist nicht maßgeblich, sondern nur eine entsprechende Prognose zu treffen.

Im vorliegenden Fall war davon auszugehen, dass eine ganztägige Kinderbetreuung in einem Wohnhaus zu Beeinträchtigungen führen kann (erhöhter Lärmpegel, gesteigerte Besucherfrequenz, Schmutz im Treppenhaus, erhöhtes Müllaufkommen durch Entsorgung der Windeln etc.). Diese Beeinträchtigungen waren als unzumutbar anzusehen. Durch die Kinderbetreuung wird Unruhe im Haus gestiftet, die bei einer (zulässigen) Wohnungsnutzung durch eine Großfamilie nicht in diesem Maße aufträte, wie etwa durch frühe Bringzeiten etc.

Linkhinweis:

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