15.03.2013

Kirchengesetzliche Regelungen von "Jehovas Zeugen in Deutschland KdöR" über die Eingliederung der örtlichen Vereine in die Körperschaft unwirksam

Eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt hat, kann zwar in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts in ihrer Gründungsphase durch Kirchengesetz einen zu der Gemeinschaft gehörenden privatrechtlich organisierten Verein in die Körperschaft eingliedern und damit dessen eigenständige rechtliche Existenz beenden. Dies erfordert jedoch ein - im Amtsblatt der Religionsgemeinschaft zu veröffentlichendes - hinreichend klares Gesetz der Körperschaft.

BGH 15.3.2013, V ZR 156/12
Der Sachverhalt:
Im Oktober 2003 verletzte sich eine Versicherungsnehmerin der Klägerin in dem damals im Eigentum des Beklagten stehenden "Königreichssaal" schwer. Die Klägerin verlangt deshalb von ihm aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

Der Beklagte ist eine örtliche Untergliederung des deutschen Zweigs der Glaubensgemeinschaft Jehovas Zeugen. Dieser war ursprünglich als "Jehovas Zeugen in Deutschland e.V." organisiert, der Beklagte als "Jehovas Zeugen, Versammlung Ö. e.V.". Im Juni 2006 wurden dem Verein "Jehovas Zeugen in Deutschland e.V." vom Land Berlin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen.

Diese erließ im Juli 2006 ein Übergangsgesetz, in dem geregelt ist, dass die bestehenden Versammlungen mit der Verleihung der Körperschaftsrechte religionsrechtlich selbständige Untergliederungen des öffentlichen Rechts sind, deren Eigentum ihnen zugeordnet bleibt und von ihnen verwaltet wird. Später stellte sie in § 5 Abs. 4 Statusrechtsgesetz in der Fassung vom 27.5.2009 klar, dass die religionsrechtlich selbständigen Gliederungen grundsätzlich nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit im staatlichen Recht verfügen. Im Dezember 2007 löschte das AG den Beklagten aus dem Vereinsregister.

Das LG gab der im Dezember 2010 erhobenen Klage statt. Das OLG wies sie als unzulässig ab, da der beklagte Verein im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr existiert habe. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Der beklagte Verein existiert rechtlich noch und kann daher auch verklagt werden. Das von der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Jehovas Zeugen in Deutschland" erlassene Kirchengesetz hat mangels hinreichender Klarheit dessen rechtliche Existenz nicht beendet.

Zwar kann eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt hat, in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 und Abs. 5 WRV) in ihrer Gründungsphase durch Kirchengesetz einen zu der Gemeinschaft gehörenden privatrechtlich organisierten Verein in die Körperschaft eingliedern und damit dessen eigenständige rechtliche Existenz beenden. Dies erfordert jedoch ein - im Amtsblatt der Religionsgemeinschaft zu veröffentlichendes - hinreichend klares Gesetz der Körperschaft.

In diesem muss die Gesamtrechtsnachfolge angeordnet, der einzugliedernde Verein benannt und der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eingliederung eindeutig geregelt sein. Zudem muss sich der Verein der Regelungsbefugnis der Religionsgemeinschaft hinsichtlich einer Eingliederung und einer damit verbundenen Vermögensübertragung unterworfen haben.

Das von der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Jehovas Zeugen in Deutschland" erlassene Gesetz genügt diesen Anforderungen nicht, insbes. fehlt es an der erforderlichen Klarheit der Regelungen. Diesen lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass die Körperschaft Gesamtrechtsnachfolgerin des Vereines sein soll. Die eigenständige rechtliche Existenz des Beklagten ist daher nicht beendet.

Das OLG wird nun im zweiten Rechtsgang über die Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu entscheiden haben.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 42 vom 15.3.2013
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