21.07.2015

Klärung der Haftungsfragen bei Zusammenstoß von Pkw und Privatbahn auf unzureichend gesichertem Bahnübergang

Stößt ein Pkw auf einem unzureichend gesicherten Bahnübergang mit dem Zug einer Privatbahn zusammen, kann eine für den Unfall ursächliche Nachlässigkeit des Schrankenwärters sowohl der Privatbahn als auch dem für die Bahnstrecke verantwortlichen Deutschen Bahn zuzurechnen sein, so dass alle Beteiligten in vollem Umfang für den Fahrzeugschaden haften. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs tritt in einem solchen Fall hinter den Verschuldensbeitrag auf Seiten der Beklagten zurück.

OLG Hamm 11.6.2015, 6 U 145/14
Der Sachverhalt:
Das klagende Autohaus war Eigentümerin eines Audi Avant 2,7 TDI, den sie einem ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt hatte. Das Fahrzeug stieß im Juni 2012 auf einem Bahnübergang in Detmold mit einem Zug der beklagten Privatbahn aus Bielefeld zusammen. Das ebenfalls beklagte Unternehmen der Deutschen Bahn ist Eigentümerin der Infrastrukturanlagen der Bahnstrecke, auf der die Privatbahn fährt.

Bei dem im Regelfall durch Andreaskreuz, Lichtzeichenanlage und automatische Schrankenanlage gesicherten Bahnübergang lag zum Unfallzeitpunkt ein technischer Defekt vor. Deswegen wurde der Bahnübergang durch den drittbeklagten Schrankenwärter gesichert. Trotz telefonischer Zugankündigung hatte es dieser vor dem Unfall versäumt, das Warnlicht einzuschalten und die Schranke herunter zu lassen.

Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs leitete eine Vollbremsung ein, nachdem der sich nähernde Zug Warnsignale abgegeben hatte, ohne die Kollision verhindern zu können. Am Audi entstand ein Totalschaden, den die Klägerin mit ca. 26.000 € bezifferte, und den sie einschließlich weiterer entstandener Kosten von allen drei Beklagten ersetzt verlangte.

Das LG gab der Klage statt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Sie waren Ansicht, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs jedenfalls nicht mit mäßiger Geschwindigkeit, zu deren Einhaltung er wegen des Vorrangs der Bahn verpflichtet gewesen sei, an den Bahnübergang herangefahren sei. Infolgedessen sei von einem Mitverschulden auszugehen. Die Berufung blieb allerdings vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. § 1 I HaftpflG zu. Danach ist der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dadurch entsteht, dass beim Betrieb einer Schienenbahn ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die Haftung war nicht durch höhere Gewalt i.S.v. § 1 Abs. 2 HaftpflG ausgeschlossen

Die Deutsche Bahn betreibt die Infrastruktur der Strecke, die Privatbahn den Eisenbahnverkehr. Sie sind insofern selbständig organisierte Teile eines einheitlichen Eisenbahnunternehmens und jeder für sich haftender Betriebsunternehmer i.S.d. Haftpflichtgesetzes. Das für den Unfall ursächliche Versäumnis des drittbeklagten Schrankenwärters müssen sich die Deutsche Bahn und die Privatbahn betriebsgefahrerhöhend zurechnen lassen.

Der mit der Sicherung der Gleisanlagen betraute Schrankenwärter und die für die Infrastruktur verantwortliche Deutsche Bahn bilden eine Haftungseinheit. Diese wirkt auch zu Lasten der Privatbahn, die mit der Deutschen Bahn eine gemeinsame Betriebseinheit bildet. Außerdem hatte sich das Versäumnis des Schrankenwärters in gleicher Weise gefahrerhöhend auf die Bahnanlage der Deutschen Bahn und den Betrieb des Schienenfahrzeuges der Privatbahn ausgewirkt.

Demgegenüber war ein Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs nicht feststellbar. Es konnte dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang sich die erhöhte Gefährlichkeit des Zuges oder die mit der Eröffnung und Unterhaltung der seinem Betrieb dienenden Bahntrasse verbundene Gefahr konkret auf den Unfall ausgewirkt hatte und ob diese Umstände geeignet waren, im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG betriebsgefahrerhöhend Berücksichtigung zu finden. Maßgeblich für das Zurücktreten der allgemeinen Betriebsgefahr des Fahrzeugs erschien vielmehr der Umstand, dass das Verschulden der Beklagten so stark überwog, dass die Betriebsgefahr mehr ins Gewicht fiel.

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OLG Hamm PM v. 14.7.2015
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