04.04.2016

Kündigung eines Mitarbeiters wegen Veröffentlichung eines Auschwitz-Fotos auf Facebook unwirksam

Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook-Nutzerkonto, die einen rassistischen und menschenverachtenden Inhalt haben, können jedenfalls dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen, wenn sich daraus ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitsgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann. Dabei kann als wichtiger Grund neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten "an sich" geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

ArbG Mannheim 19.2.2016, 6 Ca 190/15
Der Sachverhalt:
Der in gebürtig aus Polen stammende Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt und arbeitet seit Juni 2006 als Triebfahrzeugführer. Im September 2015 erhielt die Beklagte von ihrem Betriebsrat eine Beschwerde und wurde darauf hingewiesen, dass ein Mitarbeiter auf seinem Facebook-Nutzerkonto ein Bild bzw. Äußerungen mit rassistischem Hintergrund veröffentlicht habe. Der Betriebsrat teilte jedoch nicht mit, um welchen Mitarbeiter es sich dabei handelte.

Auf dem betreffenden Facebook-Nutzerkonto hatte der Facebook-Nutzer ein Bild geteilt, das ursprünglich auf einer polnischen Satire- und Witzeseite veröffentlicht war und das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift "Arbeit macht frei" zeigte. Im unteren Bereich des Bildes befand sich ein Text auf Polnisch, der übersetzt so viel hieß wie "Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme". Das Facebook-Nutzerkonto wurde zwar unter einem Synonym geführt, es war jedoch ein Foto veröffentlicht, auf dem - angelehnt an einen Triebwagen der Beklagten in Unternehmenskleidung - der Kläger zu sehen war. Infolgedessen kam die Beklagte zu dem Schluss, dass es sich um das Facebook-Nutzerkonto des Klägers handeln könnte, was schließlich vom Leiter des Arbeitsgebiets des Klägers bestätigt wurde.

Der Kläger bat in einer Stellungnahme sein Handeln zu entschuldigen, löschte das Foto umgehend von seiner Facebook-Seite und versprach, so etwas nie wieder zu machen. Dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos bzw. hilfsweise ordentlich. Der Kläger machte geltend, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nicht vorliege. Das ArbG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten ist beim LArbG BW unter dem Az. 19 Sa 3716 anhängig.

Die Gründe:
Die außerordentliche Kündigung hatte das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Die Kündigung war vielmehr gem. § 626 BGB unwirksam.

Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook-Nutzerkonto, die einen rassistischen und menschenverachtenden Inhalt haben, können jedenfalls dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen, wenn sich aus dem Facebook-Nutzerkonto ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitsgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann. Dabei kann als wichtiger Grund neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten "an sich" geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils gem. § 241 Abs. 2 BGB. Eine solche Nebenpflicht hatte der Kläger im vorliegenden Fall verletzt. Denn das Bild auf seinem Facebook-Nutzerkonto war nach seinem Erscheinungsbild und Kontext in dem von der Beklagten dargelegten Sinn zu interpretieren.

Allerdings ergab sich im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung, dass hier die Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vorrang einzuräumen war. Das Verhalten des Klägers wog den Umständen nach nicht so schwer, dass der Beklagten - auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen - ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre. Zugunsten des Klägers war vor allem dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als vierzehn Jahren - zu berücksichtigen. Mangels anderweitigen Vortrags ging die Kammer davon aus, dass das Arbeitsverhältnis bisher beanstandungsfrei verlaufen war. Zudem hatte der Kläger um Entschuldigung gebeten. Es hatte sich offenbar auch nicht die Gefahr realisiert, dass die Beklagte durch das Verhalten des Klägers eine Ruf- oder Geschäftsschädigung erlitten hat.

Das Arbeitsverhältnis war auch nicht durch die ordentliche Kündigung beendet worden. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

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